Wolf

Positionspapier Wolf & Almwirtschaft

Fakten zum Thema Gefährdung der Biodiversität auf Almen durch den Wolf

(Stand: August 2024)
Monika Kriechbaum und Bernhard Splechtna

(basierend auf Kriechbaum et al. 2019)

Hier die aktuelle Version zu unserem Positionspapier Wolf & Almwirtschaft als PDF.

KURZFASSUNG

  • Almwirtschaft gehört zu den ältesten Bewirtschaftungssystemen und gilt als ein Musterbeispiel für multifunktionale Landnutzung. Bedingt durch hohe Standort-, Vegetations- und Strukturvielfalt auf engstem Raum können Almen sehr artenreich und Zentren der Biodiversität sein.
  • Voraussetzung für eine große Arten- und Lebensraumvielfalt auf Almen ist eine standortangepasste, extensive Bewirtschaftung.
  • Ein genereller Rückgang der bewirtschafteten Almflächen – unabhängig von der Rückkehr des Wolfs – ist seit vielen Jahren in Österreich und europaweit mit zahlreichen Studien belegt und hat vielfältige wirtschaftliche und gesellschaftliche Ursachen. Die aktuelle Entwicklung ist auf Almen ähnlich wie in den Tallagen: Wo die Möglichkeit besteht, wird intensiviert, wo es aber Bewirtschaftungshindernisse gibt und in Grenzertragslagen wird die Bewirtschaftung aufgegeben. Diese Entwicklung gefährdet die Biodiversität der Almen. 
  • Nach Aufgabe der Beweidung kommt es unterhalb der potenziellen Baumgrenze zu Veränderungen der Artenzusammensetzung und Vegetationsstruktur. Wie schnell oder langsam diese Entwicklungen erfolgen, hängt von zahlreichen Standortfaktoren ab. Auch ein hoher Beweidungsdruck durch Wildtiere kann ein Zuwachsen sehr lange verhindern.
  • Der Wolf ist neben Bär und Luchs eine von vielen Gefahren, denen Weidetiere im Gebirgsraum ausgesetzt sind. Das Vorkommen von Wölfen bedingt die Gefahr für Weidetiere, gerissen zu werden umso mehr, als Österreichs Almwirtschaft nach eineinhalb Jahrhunderten ohne große Beutegreifer nicht mehr auf diese eingestellt ist und der früher übliche Herdenschutz verloren gegangen ist. 
  • Die Problematik um die Zukunft der Almwirtschaft ist vielschichtig und lässt sich nicht auf den Konflikt zwischen Viehhaltung und Wolf reduzieren, sondern stellt gesellschaftliche Fragen. Die Rückkehr der Wölfe ist eine Chance, einer extensiven und damit biodiversitätsfördernden, durch Behirtung zukunftsfähigen Almwirtschaft auch politisch mehr Beachtung und Wertschätzung zu schenken und sie entsprechend zu fördern.

Almfakten im Detail

1. Almwirtschaft und Biodiversität

Almwirtschaft gehört zu den ältesten Bewirtschaftungssystemen und gilt als ein Musterbeispiel für multifunktionale Landnutzung. Die ökologischen Funktionen der Almwirtschaft beinhalten laut ALP Austria, einem umfangreichen Programm zur Sicherung und Entwicklung der alpinen Kulturlandschaft, „die Erhaltung der Biodiversität, der Habitate und Naturschutzgüter“ (BMLFUW 2006: 22).

Almen können sehr artenreich und Zentren der Biodiversität sein. Eine Besonderheit auf Almen stellt die hohe Vielfalt auf kleinem Raum dar. Bedingt z.B. durch unterschiedliche geologische Verhältnisse und durch die unterschiedliche Höhe und Dauer der Schneelage und Wasserversorgung kommt es zu kleinräumig wechselnden Standortbedingungen. Herausragende Steine oder Felsen und Bodenbewegungen aufgrund von wiederholtem Gefrieren und Auftauen tragen zur Bildung eines ausgeprägten Mikroreliefs bei, das durch Viehtritt noch verstärkt wird. Diese Faktoren führen unter anderem zur Ausprägung unterschiedlicher Pflanzengesellschaften, die mosaikartig verzahnt sind. Grasland-Zwergstrauch-Strauch-Mosaike bieten Lebensräume für viele Arten mit unterschiedlichen Ansprüchen (vgl. z.B. Hofer et al. 2013). Diese hohe Standort-, Vegetations- und Strukturvielfalt auf engstem Raum bedeutet auch ein entsprechendes Angebot an Lebensraumvielfalt für Kleintiere und eine damit verbundene hohe Biodiversität pro Flächeneinheit.

Voraussetzung für eine große Arten- und Lebensraumvielfalt auf Almen ist aber eine standortangepasste, extensive Bewirtschaftung. Darauf wird in zahlreichen Studien hingewiesen, beispielsweise auch in dem Programm ALP Austria und es ist Bestandteil des „almwirtschaftlichen Basiswissen“: „Almen besitzen eine hohe Biodiversität. Nur die Aufrechterhaltung einer ausgewogenen, standortgerechten Bewirtschaftung sichert diese Arten- und Lebensraumvielfalt. Unzureichende Bewirtschaftung und Nutzungsaufgabe sowie in einzelnen Fällen auch Überbestoßung mit falschem Nährstoffmanagement sind jedoch aktuelle Entwicklungen, die die Biodiversität gefährden. Geeignete Maßnahmen sind erforderlich, die diesen Veränderungen der Bewirtschaftung entgegenwirken“ (Almwirtschaft Österreich, LFI 2020). 

2. Wie kann man eine ausgewogene, standortgerechte Bewirtschaftung genauer definieren?

Die Begriffe extensiv und intensiv sind in diesem Zusammenhang nicht ganz unproblematisch, da die traditionelle biodiversitätsfördernde Bewirtschaftung früherer Zeiten sehr intensiv hinsichtlich des Arbeitsaufwandes war – z.B. Behirtung, Schwendmaßnahmen, Errichtung und Erhaltung von Zäunen. Aber sie war extensiv in Hinblick auf die Auswirkungen auf die Vegetation. Die Viehzahlen waren an das Futterangebot angepasst und Hirten sorgten dafür, dass auch entlegenere Almgebiete beweidet werden konnten. Zur Einschätzung der Beweidungsintensität kann die Besatzdichte, also der Weidedruck pro Flächeneinheit, angegeben in Großvieheinheiten (GVE) pro ha, herangezogen werden. Als Richtwert für die Definition extensiv wird in diesem Zusammenhang eine Besatzdichte von durchschnittlich 0,5 GVE/ ha (0,25: Magerweiden auf Hochalmen, 0,75: Magerweiden auf Mittelalmen) angenommen. Diese Einstufung wurde für den Nationalpark Gesäuse erarbeitet (Egger & Kreiner 2009). Die Autoren weisen darauf hin, dass die angegebenen Werte auf der konkreten Fläche je nach Wüchsigkeit der Fläche, Alpungsdauer und aufgetriebenen Tierkategorien deutlich schwanken können.

Kriechbaum et al. (2019) haben die durchschnittliche Besatzdichte auf Bürstlings- oder Borstgrasrasen auf Almen in den österreichischen Almregionen analysiert. Der Lebensraumtyp „Artenreiche montane Borstgrasrasen auf Silikatböden“ist ein „prioritärer Lebensraum“ im Sinne von Artikel 1 der FFH-Richtlinie, der durch die Nutzung von Mensch und Weidevieh entstanden ist. Als Voraussetzung für einen günstigen Erhaltungszustand ist eine extensive Beweidung mit standortangepassten Tierrassen zu erachten. Die oben genannte Besatzdichte für extensiv beweidete Magerweiden kann für Borstgrasrasen als angemessen angesehen werden. Zum Vergleich wurden Studien aus anderen europäischen Ländern herangezogen, in denen die für den Lebensraumtyp Borstgrasrasen empfohlenen Besatzdichten, je nach Höhenlage, zwischen 0,15 und 1,0 GVE/ ha schwanken. Die beiden Almregionen Oststeirisches Bergland und Kor-, Pack-, Sau-, Stubalpe weisen ca. 65 % der innerhalb von Almregionen als FFH-Lebensraumtyp ausgewiesenen Borstgrasrasen-Gesamtfläche auf (Stand 2017). Die durchschnittliche Besatzdichte auf den Borstgrasrasen in den beiden Almregionen beträgt 1,3 GVE/ ha Almfutterfläche, was deutlich über der als extensiv geltenden und für Borstgrasrasen empfohlenen Besatzdichte liegt. In Österreich betrug 2017 die durchschnittliche Besatzdichte 1,05 GVE/ ha Almfutterfläche mit steigendem Trend. Auf die Biodiversität von Almen hat das auf jeden Fall negative Auswirkungen.

3. Veränderungen und Rückgang der Almwirtschaft

Die Entwicklung auf Almen ist ähnlich wie in den Tallagen: Wo die Möglichkeit besteht wird intensiviert, wo es Bewirtschaftungshindernisse gibt und in Grenzertragslagen wird die Bewirtschaftung aufgegeben. Das richtige Maß, „das goldene Mittelmaß“, geht verloren. „Der Trend zeigt großflächige Unternutzungen oder Extensivierungen und punktuell kleinflächige Intensivierungen der Almflächen. Gründe dafür sind falsches Weidemanagement und nur bedingt almtaugliche Hochleistungstiere. Auf vielen Almen werden Flächen gar nicht oder nicht ausreichend gepflegt“ (BMLFUW 2006: 105).

Auch wenn Almwirtschaft in Österreich eine lange Tradition hat und scheinbar seit Jahrhunderten in gleicher Weise erfolgt, wurde sie immer wieder an neue Bedingungen und Lebenssituationen der Almbäuerinnen und Almbauern angepasst. Auslöser dieser Veränderungen waren meist wirtschaftliche und gesellschaftliche Umstände. Im Laufe der jahrhunderte- bis jahrtausendealten Almwirtschaftsgeschichte gab es immer wieder bessere und schlechtere Phasen. Im Zuge der agrarmarktbedingten Rationalisierung der Landwirtschaft konzentrierte sich die Produktion immer mehr auf intensivierbare Standorte und es kam zu einem Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften. „Die Almrezession der 1960er und 1970er Jahre war verbunden mit einem tiefgreifenden Struktur- und Nutzungswandel sowie einer Veränderung der Beziehungen Alm-Heimgut“ (Ringler 2009: 406).

Einen Überblick über die Entwicklung wichtiger almwirtschaftlicher Parameter von 1952-2009 gibt die österreichische Almstatistik 2009 (BABF 2010). Die Gesamtalmfläche, die neben den Almweiden auch den Almwald und unproduktive Flächen umfasst, betrug 2009 immerhin 1,06 Mio ha, also 13 % des gesamten Staatsgebietes. Obwohl die Zeitreihe inkonsistent ist, lässt sich ein Rückgang der Almfläche bis ins Jahr 2000 feststellen, danach eine Stabilisierung, wahrscheinlich im Zusammenhang mit den nach dem EU Beitritt Österreichs verfügbaren Förderungen. Aber selbst zwischen 2000 und 2009 hat sich die Anzahl der Almbetriebe durchschnittlich um 5 % verringert (in der Steiermark sogar um 12 %), die Almfutterfläche um fast 10 %. Auch wenn ein Teil dieses Rückganges der Almfutterflächen auf die genauere Erfassung dieser Flächen zurückzuführen ist, nimmt der Anteil der Almfutterfläche an der Gesamtfläche auch durch Umwidmungen, Verbuschung und Verwaldung von 46,6 % auf 42,3 % ab. Dieser Trend verstärkte sich noch, da die Almfutterfläche von 2009 bis 2016 noch einmal stark abgenommen hat (Obweger 2018). Dies alles geschah lange bevor die Rückkehr der Wölfe ein Thema wurde. 

Auf die steigende Entwicklung der Besatzdichte auf Österreichs Almen wurde bereits hingewiesen. Die Besatzdichte wurde von Obweger (2018) nicht als Durchschnitt der Einzelbetriebe ermittelt, sondern als Summe GVE/ Summe verfügbarer Futterfläche. Dadurch ergeben sich im Vergleich etwas geringere absolute Werte aber dennoch ein deutlicher Anstieg in den letzten Jahren. Österreichweit ist die Besatzdichte seit 2000 kontinuierlich angestiegen und verzeichnete 2016 gegenüber 2000 einen Anstieg von etwa 65 %. Auch wenn dieser Trend steigender Besatzdichten auf Grund laufender Veränderungen in der Flächenerfassung mit Vorsicht interpretiert werden muss, bestätigt er die Aussage, dass neben der Bewirtschaftungsaufgabe, Intensivierung auf den Almen stattfindet. Die negativen Auswirkungen auf die Biodiversität einer ertragsoptimierten Almwirtschaft mit Hochleistungsrindern und Umstellung der Düngungsweisen hin zur intensiven Güllung thematisiert auch das Positionspapier „Zukunftsfähige Almwirtschaft, Almdüngung“ des Förderungsvereins für Umweltstudien hin (FUST-Tirol 2014).

So wie viele traditionelle Bewirtschaftungsformen weltweit, ist das sozio-ökologische System der Almwirtschaft insgesamt und die Frage der Auflassung oder Weiterführung der Almen von vielen Faktoren beeinflusst. Neben der Wirtschaftlichkeit, der Hofnachfolge, Änderungen in der Bewirtschaftung des Heimbetriebes, der Förderungslandschaft, der Erreichbarkeit, geringen Erzeugerpreisen oder Zusatzeinkünften aus dem Tourismus spielen dabei auch so wenig messbare Faktoren wie Traditionsbewusstsein, bergbäuerliche Identität und gesellschaftliche Anerkennung der Berglandwirtschaft eine Rolle. Die arbeitsaufwendige traditionelle Bewirtschaftung kann heute meist nicht mehr geleistet werden und daher konzentriert sich die Beweidung auf gut zugängliche Flächen. Aus Mangel an Almpersonal gibt es keine ständige Behirtung und Pflege der Almflächen. Mit dem Rückgang der Hirten ging nicht nur wertvolles Wissen zum Herdenschutz verloren, sondern auch zu Tiergesundheit, Weidepflege und Weideführung. 

4. Welche Auswirkungen hat die Aufgabe der Almbewirtschaftung auf die Biodiversität?

Artenreiche alpine Matten oberhalb der potenziellen Baumgrenze sind von keiner landwirtschaftlichen Nutzung abhängig. In tieferen Lagen kommt es nach Aufgabe der Beweidung zu Veränderungen der Artenzusammensetzung und Vegetationsstruktur. In welche Richtung, wie schwerwiegend und wie schnell oder langsam die Entwicklungen erfolgen, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Entscheidende Einflussgrößen sind Höhenlage, Exposition sowie die Nährstoff- und Wasserversorgung des Standortes, aber auch Geländeform, Schneelage, vorhandene Bestockung und samentransportierende Tiere, Klima, Nutzungsgeschichte, Artenzusammensetzung und Dichte der vorhandenen Vegetation und Wildwiederkäuerdichte.

Da weite Bereiche der Alpen schon seit Ende des 2. Weltkrieges auf Grund der veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen von einem Landnutzungswandel betroffen sind und die Bewirtschaftung vielerorts aufgegeben wurde, gibt es aus verschiedenen Regionen Beispiele in der Literatur, wie die Sukzession ablaufen kann (z.B. Spatz et al. 1978, Holzner 2007, Ringler 2009, Köstl et al. 2021). Von 103 in Tirol untersuchten brachgefallenen Almen waren mehr als die Hälfte nach Jahrzehnten noch offen und nur etwa 10 % fast durchgängig dicht bestockt (Paldele 1994). Generell kann davon ausgegangen werden, dass unterhalb der potentiellen Waldgrenze die Sukzession der Borstgrasrasen über Zwergstrauchheiden oder Adlerfarnfluren, Latschen- oder Grünerlengebüsche bis hin zu Wald verläuft. Meist wandern innerhalb von zehn Jahren die verbissempfindlichen Zwergsträucher wie z.B. Vaccinium– und Rhododendron-Arten wieder ein (Erschbamer et al. 2003, Holzner 2007). Die Etablierung von Bäumen erfolgt nach 20-40 Jahren, kann aber durch dichten Grasfilz und Wildäsung lange verzögert werden (Schütz et al. 2003). Bei Nutzungsauflassung der subalpinen Kalkrasen, die auch einen FFH-Lebensraumtyp darstellen, erfolgt eine Verbuschung vorwiegend mit Latsche. Mit Mustern der Ausbreitung von Latschen in der Folge von Landnutzungsänderungen und Klimawandel in den nördlichen Kalkalpen beschäftigten sich Dullinger et al. (2003). Nach ihren Ergebnissen breitet sich die Latsche in subalpinen Rasengesellschaften nach Nutzungsaufgabe auf Grund der dichten Grasmatrix sehr langsam aus.

In der Conclusio einer naturschutzfachlichen Evaluierung der Almbewirtschaftung im Nationalpark Gesäuse anhand der Indikatorgruppen Zikaden, Wanzen und Spinnen (Ökoteam 2013) wird auf Grund zu intensiv beweideter Almflächen die Sinnhaftigkeit der Beweidung sogar angezweifelt, da geeignete Lebensbedingungen für naturschutzfachlich relevante Arten an eine deutliche Extensivierung der Beweidung gebunden sind. Sollte dies nicht oder nur schwer möglich sein, wäre aus tierökologischer Sicht das Sukzessions-Endstadium Naturwald den gegenwärtigen (intensiven) Weideflächen vorzuziehen. Eine punktuelle oder kleinflächige Verbrachung und Verbuschung beurteilen die Autoren dieser Studie aus zoologischer und naturschutzfachlicher Sicht grundsätzlich positiv. Gründe dafür sind das Ausweich-, Refugial- und Wiederbesiedlungpotenzial dieser Flächen, ein stetes Angebot von Blüten (Nahrung, Lebensraum), ein stetiges Angebot an hoher Vegetation (Struktur für Netz- und Kokonbau, Samen als Nahrung, Deckung) und kleinklimatisch günstige, stabilereBedingungen in diesen Bereichen. Diese Einschätzung deckt sich mit zahlreichen anderen Studien. 

Von den auf Almen vorkommenden FFH-Lebensraumtypen sind v.a. die oben erwähnten Borstgras- oder Bürstlingsrasen von einer Bewirtschaftungsaufgabe betroffen. Der Erhaltungszustand der Borstgrasrasen im alpinen Raum wurde in der letzten Berichtsperiode sowie zuvor 2007 und 2013 als ungünstig – unzureichend eingestuft (Umweltbundesamt 2020). Als Gefährdungsursachen werden einerseits die Nutzungsaufgabe und die daraus resultierende Verbuschung oder Aufforstung, andererseits aber auch die Nutzungsintensivierung, Düngung oder Nährstoffeintrag aus angrenzenden Flächen und die direkte Zerstörung durch die Umwandlung in Ackerland oder Skipisten sowie Änderung der hydrologischen Verhältnisse genannt (Ellmauer 2005).

5. Wolf und Almwirtschaft

Das Vorkommen von Wölfen bedingt die Gefahr für Weidetiere, gerissen zu werden umso mehr, als Österreichs Almwirtschaft nach eineinhalb Jahrhunderten ohne große Beutegreifer nicht mehr auf diese eingestellt ist. Wölfe waren in den Alpenländern lange Zeit, zumindest bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, ein Teil des Systems der Almbewirtschaftung. Konflikte mit der Weidetierhaltung gelten auch zusammen mit geringen Wilddichten als Hauptursache für die Ausrottung der Wölfe in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Der Wolf ist aber nur eine von vielen Gefahren, denen Weidtiere im Gebirgsraum, v.a. ohne Behirtung, ausgesetzt sind, z.B. Unwetter, Hagel, Muren, Lawinenabgänge, unübersichtliche Geländestrukturen, steile Geländestellen, Absturz, Erschrecken durch Hubschrauber. Der Wolf spielt bei einer gesamtheitlichen Betrachtung über einen längeren Zeitraum im Vergleich zu den sozio-ökonomischen und agrarpolitischen Rahmenbedingungen eine vernachlässigbare Rolle in Hinblick auf (bereits stattfindende) Bewirtschaftungsänderungen. Das ist für die Bäuerinnen und Bauern, die von Wolfsrissen betroffen sind, kein Trost, aber für die Einschätzung, welche Rolle der Wolf bei der Bewirtschaftungsaufgabe von Almen spielt, von zentraler Bedeutung. 

6. Zukunft der Almen

Almwirtschaft zählt zu den ältesten Landwirtschaftsformen Europas und in der langen Geschichte der Almwirtschaft hat es immer wieder Krisenzeiten und Blütezeiten gegeben. Ein genereller Rückgang der bewirtschafteten Almflächen ist seit vielen Jahren in Österreich und europaweit mit zahlreichen Studien belegt. Die Ursachen dafür lagen in der Vergangenheit meist in einer agrarmarktbedingten Rationalisierung in der Landwirtschaft, in Veränderungen im Viehbestand von almtauglichen Rassen zu Hochleistungsrindern, dem gesellschaftlichen Wandel allgemein und einer damit in Zusammenhang stehenden Auflassung von landwirtschaftlichen Betrieben. „Almen geraten von vielen Seiten unter Druck“ führt der Soziologe und Professor für Agrar- und Regionalsoziologie Markus Schermer in einem Interview aus und, dass der Wolf momentan das Thema ist, aber es viele weitere Herausforderungen gibt, wie etwa Arbeitskräftemangel oder Klimawandel – schleichende Prozesse, die dazu führen, dass sich die Bewirtschaftung der Almen in Zukunft dramatisch ändern wird.

Die Problematik um die Zukunft der Almwirtschaft ist vielschichtig und lässt sich nicht auf den Konflikt zwischen Viehhaltung und Wolf reduzieren, sondern stellt gesellschaftliche Fragen (vgl. Stauder 2023). Die Schlussfolgerung „Kommt der Wolf, geht der Bauer“ ist nicht nur unzulänglich, sondern lenkt von den tatsächlichen Problemen ab, mit denen die Almwirtschaft konfrontiert ist. Wir können die Rückkehr der Wölfe vielmehr als Chance sehen, einer zukunftsfähigen und biodiversitätsfördernden Almwirtschaft mehr Beachtung und Wertschätzung zu schenken – von politischer und von gesellschaftlicher Seite. Landschaften mit kultureller Identität entstehen heute nicht mehr nebenher, es muss bewusst an ihrer Entwicklung gearbeitet werden, was in einer Zeit, in der immer weniger Menschen in der Landwirtschaft arbeiten, eine besonders schwierige Aufgabe darstellt (vgl. Van Elsen 2008). Mit der In-Wertsetzung der Almwirtschaft beschäftigt sich das Positionspapier „In-Wertsetzung der Almwirtschaft“ (Tasser et al. 2023). Als zentrale Strategien für eine standortangepasste Almwirtschaft wird die Förderung von Almpersonal, eine richtige Auswahl der Weidetiere und der Erhalt von traditionellen Agro-Forstsystemen empfohlen. Bereits vor beinahe 20 Jahren diskutiert Ringler (2007) verschiedene Lösungsansätze und macht Vorschläge für eine „interregional besser austarierte, ökologisch effizientere Förderpolitik„. Ein kritischer Punkt in Hinblick auf Biodiversität im aktuellen Förderprogramm ist die Reduktion förderbarer Flächen auf die Futterfläche einer Alm, weil dieser Ansatz der besonderen Bedeutung von Rasen-Zwergstrauch-Strauch-Mosaiken entgegenwirkt.

Abschließend soll darauf hingewiesen werden, dass der wissenschaftliche Diskurs über die Verbrachung von Almflächen kontrovers geführt wird (vgl. Wuttej 2010). Die Diskussion über die Bedeutung von Almen für die Biodiversität im Zusammenhang mit Nutzungsänderungen und Klimawandel kommt nicht umhin, auch andere Naturschutzperspektiven zu berücksichtigen. Aus einer prozessorientierten, dynamischen Sichtweise können die Aufgabe von Weideflächen und die passive Wiederbewaldung auch positive Auswirkungen auf Ökosysteme haben. Besonders hinsichtlich der klar nachweisbaren negativen Auswirkungen auf die Biodiversität von Almflächen durch zunehmende Intensivierung – wie am beschriebenen Beispiel des Nationalparks Gesäuse geschehen – ist in der Abwägung öffentlicher Interessen dem Zulassen natürlicher Prozesse zugunsten von mehr naturschutzfachlich wertvoller alpiner Wildnis der Vorzug zu geben.

Ausgewählte Literatur

  1. Almwirtschaft Österreich, LFI (Hrsg.) (2020): Almwirtschaftliches Basiswissen. Von der Bedeutung der Almen. 2. Auflage, 63 S. https://www.almwirtschaft.com/services/fachunterlagen-zur-almwirtschaft/
  2. BABF, Bundesanstalt für Bergbauernfragen (2010): Almstatistik 2009. Zahlen und Fakten zur österreichischen Almwirtschaft. Facts & Features 43, Wien, 86 S.
  3. BMLFUW (2006): ALP Austria. Programm zur Sicherung und Entwicklung der alpinen Kulturlandschaft. Medieninhaber und Herausgeber: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Land Kärnten, Land Oberösterreich, Land Salzburg, Land Steiermark, Land Tirol, Land Vorarlberg, Gesamtkoordination: Umweltbüro Klagenfurt. 262 S. https://dafne.at/projekte/alp-austria
  4. Dullinger S., Dirnböck T., Grabherr G. (2003): Patterns of Shrub Invasion into High Mountain Grasslands of the Northern Calcareous Alps, Austria. Arctic, Antarctic, and Alpine Research 35 (4): 434-441.
  5. Egger G., Kreiner D. (2009): Managementplan Almen. Life-Gesäuse. Bericht d. Nationalpark Gesäuse GmbH, Weng, 153 S.
  6. Ellmauer T. (Hrsg.), 2005. Entwicklung von Kriterien, Indikatoren und Schwellenwerten zur Beurteilung des Erhaltungszustandes der Natura 2000-Schutzgüter. Band 3: Lebensraumtypen des Anhangs I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Wien.
  7. Erschbamer B., Virtanen R., Nagy L. (2003): The impacts of vertebrate grazers on vegetation in European high mountains. In: Nagy L., Grabherr G., Körner C., Thompson D.B.A. (eds.): Alpine Biodiversity in Europe. Ecological Studies 167. Springer, Berlin: 377-396.
  8. FUST-Tirol (2014): Zukunftsfähige Almwirtschaft, Almdüngung. FUST-Position 10, Forschungs- und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung“ des Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol), Achenkirch, http://www.fust.at/positionen_10/
  9. Holzner W. (2007): Naturvielfalt durch Almwirtschaft. In: Holzner W. et al.: Almen. Almwirtschaft und Biodiversität. Grüne Reihe des Lebensministeriums, Band 17. Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar: 61-120.
  10. Hofer G., Junge X., Koch B., Schüpbach B. (2013): Einzigartige Kulturlandschaft und Artenvielfalt im Sömmerungsgebiet. In: Zukunft der Schweizer Alpwirtschaft. Eidg. Forschungsanstalt WSL, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Hrsg. Stefan Lauber (et al.), Birmensdorf, Zürich Reckenholz. 2013, 123-135.
  11. Köstl, T., Berger, V., Kirchmeir, H: & Wuttej, D. (2021): Dokumentation von Naturprozessen Teil 5. Prozessinventar: Dynamik sekundärer Sukzessionen – Aufgelassene Almen. Projektbericht E.C.O. Institut für Ökologie, Klagenfurt.
  12. Kriechbaum M., Pennerstorfer J., Pröbstl F., Seiberl M., Splechtna B. (2019): Biodiversität und Alpwirtschaft. In: Hackländer K. et al. (2019): Gutachterliche Stellungnahme zu den Auswirkungen von rückkehrenden Wölfen auf Landwirtschaft und traditionelle Weidehaltung, Freizeit- und Erholungswirtschaft, Jagd- und Forstwirtschaft sowie Biodiversität im Ostalpenraum. BOKU-Berichte zur Wildtierforschung und Wildbewirtschaftung 23. Universität für Bodenkultur Wien. S. 353-387.
  13. Obweger, A. (2018): Analyse des Rückgangs der Almauftriebszahlen in Österreich. Masterarbeit, Universität für Bodenkultur Wien. 191 S.
  14. Ökoteam (2013): Naturschutzfachliche Evaluierung der Almbewirtschaftung im Nationalpark Gesäuse, Teil 3: Kölblalm, Nieder- und Hochscheibenalm. Bewertung anhand der Indikatorgruppen Zikaden, Wanzen und Spinnen. Endbericht, Graz. Auftraggeber Nationalpark Gesäuse GmbH.
  15. Paldele, B. (1994): Die aufgelassenen Almen Tirols. Innsbrucker Geografische Studien 23, Universität Innsbruck.Ringler A. (2007): Almzukunft und Almförderung. Ökologische Perspektiven im Klima- und Politikwandel (Teil 2). ANLIEGEN NATUR 31: 62-75.
  16. Ringler A. (2007): Almzukunft und Almförderung. Ökologische Perspektiven im Klima- und Politikwandel (Teil 2). ANLIEGEN NATUR 31: 62-75.
  17. Ringler A. (2009): Almen und Alpen. Höhenkulturlandschaft der Alpen. Ökologie, Nutzung, Perspektiven. Hrsg.: Verein zum Schutz der Bergwelt, München. Langfassung auf CD, 1448 S.
  18. Schütz M., Risch A.C., Leuzinger E., Krüse B.O., Achermann G. (2003): Impact of herbivory by red deer (Cervus elaphus L.) on patterns and processes in subalpine grasslands in the Swiss National Park. Forest Ecology and Management 181: 177-188.
  19. Spatz G., Weis B., Dolar D.M. (1978): Der Einfluss von Bewirtschaftungsänderungen auf die Vegetation von Almen im Gasteiner Tal. In: Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Ökologische Analysen von Almflächen im Gasteiner Tal – Veröffentlichungen des Österreichischen MaB-Hochgebirgsprogramms Hohe Tauern, Band 2. Innsbruck: Univ.-Verl. Wagner. 163-180.
  20. Stauder J. (2023): Das Ende der Almen? Wer nur den Wolf sieht, übersieht das Wesentliche. Alpenvereinsjahrbuch BERG 2034: 206-211.
  21. Tasser E., Herzog S., Burgstaller R., Underberg-Ruder H., Stock J. (2023): In-Wertsetzung der Almwirtschaft. FUST Fakten & Positionen 12. http://www.fust.at/wp-content/uploads/Positionspapier-Almwirtschaft.pdf
  22. Umweltbundesamt (2020): Ellmauer T., Igel V., Kudrnovsky H., Moser D., Paternoster D.: Monitoring von Lebensraumtypen und Arten von gemeinschaftlicher Bedeutung in Österreich 2016–2018 und Grundlagenerstellung für den Bericht gemäß Art.17 der FFH-Richtlinie im Jahr 2019: Teil 2: Artikel 17-Bericht. Im Auftrag der österreichischen Bundesländer. Umweltbundesamt, Reports Bd. REP-0734. Wien.
  23. Van Elsen T. (2008): Landwirtschaft zwischen „Wachsen und Weichen“ und gesellschaftlichem Auftrag zur Landschaftspflege. Laufener Spezialbeiträge 1/08: 66-73.
  24. Wuttej D. (2010): Vegetationsökologische Untersuchung und naturschutzfachliche Bewertung brachgefallener und bewirtschafteter Flächen auf der Kallbrunnalm (Salzburg) und der Rossalm (Oberbayern). Masterarbeit, Universität Wien.
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Positionspapier Große Beutegreifer

Fakten zu großen Beutegreifern: die aktuelle Lage in Österreich

Stand August 2023

Hier die aktuelle Version zu unserem Positionspapier zu Großen Beutegreifern

  • Die großen Beutegreifer Wolf, Bär und Luchs kehren nach Österreich zurück, auch der Goldschakal wandert zunehmend ein. Einerseits erfüllen diese Apex-Prädatoren wichtige Rollen in den Ökosystemen, andererseits müssen sich die Menschen, vor allem Land-, Wald- und Jagdwirtschaft auf ihre Anwesenheit einstellen. Interessenskonflikte in Kombination mit einem gerüttelten Maß an Unwissen und Irrationalität führen zu einer stärkeren Verfolgung dieser Tiere, als durch ihren gesetzlichen Schutzstatus vorgesehen – auch illegal, wie die vergleichsweise langsame Zunahme der Bestände, Modellrechnungen und eine beträchtliche heimische Wildtierkriminalität nahelegen.
  • Eine überbordende Verfolgung der großen Beutegreifer ist neuerdings auch (vordergründig) legal möglich, etwa auf Basis von Verordnungen der Bundesländer („Wolfsmanagementverordnungen“ von Tirol, Kärnten, NÖ., demnächst auch OÖ. und Stmk.). Obwohl bei keiner der Arten für Österreich der „günstige Erhaltungszustand“ erreicht ist, den herzustellen wir uns im Rahmen der Fauna-Flora-Habitatrichtline (FFH) verpflichtet haben. Erst dann wäre eine Bejagung legal möglich. Dennoch ist etwa der Goldschakal in den meisten Bundesländern jagdbar, in einigen, wie etwa Niederösterreich, sogar ohne Schonzeit. Und um den Abschuss von recht eigenwillig definierten „Problemwölfen“ zu erleichtern, erließen die Bundesländer Kärnten, Tirol, Niederösterreich, bald auch Oberösterreich – (Stand Mai 2023) mehrfach EU-rechtswidrige Verordnungen. Problematisch auch, dass sich die Jagd dafür einspannen lässt, was an längst überwunden geglaubte Zeiten der Ausrottungsgeschichte der großen Beutegreifer erinnert.
  • In Zeiten der existenzbedrohenden Klima- und Biodiversitätskrisen müssen Arten und Lebensräume wirksam geschützt, bzw. wiederhergestellt werden. Das braucht eine Extensivierung von Land- und Forstwirtschaft und eine Ausübung der Jagd strikt auf Basis ökologischer Prinzipien. Ausschließlich auf Gewaltanwendung beruhende, letztlich auf regionale Wiederausrottung abzielende „Lösungen“ zur Abwehr der großen Beutegreifer jenseits von ethischen Normen und biologisch-ökologischer Intelligenz und Rücksichtnahme, sind daher abzulehnen.
  • Die vier großen Beutegreifer unterscheiden sich stark hinsichtlich Ökologie, Konfliktpotential und auch in ihrer Bedeutung für die Jagd. Die Jagdgesetze der meisten Bundesländer führen zumindest Wolf, Bär und Luchs als ganzjährig geschont. Der föderale Fleckerlteppich macht die Lage unübersichtlich. Bei Braunbären wandern vor allem die Männchen, weswegen die wenigen Bären in Süden Österreich zumeist aus Slowenien eingewanderte Männchen sind. Der ökologisch erwünschte, eigenständige Bestandsaufbau ist mangels zuwandernder Weibchen seit Jahrzehnten ausgeblieben. Luchse verbreiten sich langsam, auch weil sie als Konkurrenten um Rehwild gesehen werden und relativ einfach zu bejagen sind. Ohne aktive Bestandsstützungen, die von der Jagd abgelehnt werden, kann ein Populationsaufbau im Alpenraum aber nicht gelingen und die kleine aktuell vorhandene „Population“ in den Nördlichen Kalkalpen wird verschwinden. Wölfe dagegen breiten sich ob ihrer hohen Vermehrungsraten rasch in die Fläche aus, verursachen dabei auch Schäden an ungeschützten Weidetieren und erregen Ängste. Von allen großen Beutegreifern finden daher die Wölfe den größten Niederschlag in den Medien und erregen öffentliche Aufmerksamkeit. Dabei wird meist darauf vergessen, dass sie – wie allen Apex-Prädatoren, wichtige Funktionen auch in den heimischen Ökosystemen erfüllen (siehe auch Positionspapier Wolf und zum Thema Jagd die Webseite http://www.bundesjagdgesetz.at).
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Positionspapier Wolf

Fakten zum Wolf: Die aktuelle Lage in Österreich

Stand Mai 2023

Hier die aktuelle Version zu unserem Positionspapier Wolf zum Download.

Kurzfassung:

  • In Österreich leben zur Zeit (Mai 2023) sieben Familiengruppen (Rudel: https://baer-wolf-luchs.at/verbreitungskarten/wolf-verbreitung), also etwa zwischen 30 und 60 Wölfe.
  • Umfragen belegen, dass eine Mehrheit der Österreicher wie auch Mehrheiten in anderen Ländern Europas die Wiederkehr der Wölfe begrüßen.
  • Wölfe sind in Europa umfassend durch die Berner Konvention und die auf dieser beruhende Fauna-Flora-Habitat (FFH) Richtlinie der EU geschützt (aktueller Wolfsmanagementplan Österreich s.: https://baer-wolf-luchs.at/wp-content/uploads/2022/05/OeZ_Wolfsmanagement_Empfehlungen_2021.pdf).
  • Die FFH-Richtlinie verpflichtet zur Herstellung eines „günstigen Erhaltungszustands“ in den Staatsgrenzen. Dieses Ziel wird in Österreich für alle großen Beutegreifer weit verfehlt.
  • Günstiger Erhaltungszustand“ in Österreich im Sinne der FFH-Richtlinie bedeutet wahrscheinlich einige Dutzend Rudel und ein wenige hundert Wölfe. „Problemwölfe“, deren „Entnahme“ die FFH-Richtlinie vorsieht, treten generell selten auf.
  • In ihren „Wolfsmanagementverordnungenverstoßen die Bundesländer Kärnten, Tirol, Niederösterreich und bald auch Oberösterreich und Steiermark (Stand Mai 2023) mehrfach gegen geltendes EU-Recht (Verstöße gegen die Aarhus-Konvention und gegen die FFH-Richtlinie). Die Eröffnung eines weiteren EU-Vertragsverletzungsverfahrens ist absehbar.
  • Auch nach Erreichen eines „günstigen Erhaltungszustandes (FFH)“ benötigen Wölfe keine „Regulierung“ durch Jagd. Sind Rudel etabliert, werden Wolfsdichten durch die Menge an verfügbarer Nahrung reguliert, vor allem aber durch eine effiziente „dichteabhängige Regulation“ aus. Etablierte Rudel halten Nachbarrudel auf Distanz und halten auch durchwandernde Jungwölfe ab.
  • Jagd und Jagdwirtschaft sind in ihrer Einstellung zum Wolf gespalten. Während manche Jäger mit dem Wolf leben wollen, argumentieren jene, die am Verkauf von Abschüssen überhegten Schalenwilds und an Revierpachten verdienen, dass der Wolf dieses Trophäenjagdsystem stören und ihre Reviere „entwerten“ würde.
  • Wölfe entfalten als Apex-Prädatoren mehrfach positive ökologische Wirkungen; in den Rudelgebieten steigt die Biodiversität, Wülfe halten Wildbestände gesünder als menschliche Jäger.
  • Wölfe verursachten in Österreich 2022 weniger als 10% der Verluste an Weidetieren (vor allem Schafe). An Herdenschutz führt kein Weg vorbei, da man sich auf die Anwesenheit von Wölfen langfristig einstellen muss. Abschuss ist keine Lösung, da die nächsten einwandernden Wölfe wiederum (ungeschützte) Schafe töten. Zudem sind Halter im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht (im Sinne des Tierschutzgesetzes) verpflichtet, ihre Weidetiere vor großen Beutegreifern zu schützen.
  • Sind Wölfe gefährlich? Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte Zusammenleben mit Wölfen in Europa zeigen, dass Wölfe für Menschen nicht gefährlich sind.
  • Angesichts der Bemühungen Klimawandel und Biodiversitätsverlust einzudämmen, sind die großen Beutegreifer Verbündete, nicht Gegner, im Ringen um eine lebenswerte Zukunft.
  • Für ein möglichst konfliktarmes Zusammenleben mit den großen Beutegreifern braucht es neben funktionierendem Herdenschutz vor allem flächendeckendes best-practice Monitoring und eine Begleitung durch wissenschaftliche Top-Forschung. Derzeit gibt es diesbezüglich große Defizite.
Weiterlesen „Positionspapier Wolf“
Wolf

Wolfsabschussverordnungen von Oberösterreich und anderer Bundesländer gravierend mangelhaft

– das wird vom Umweltministerium in Antwort auf Stellungnahme der AG Wildtiere fest gehalten

Als Antwort auf die Stellungnahme der AG Wildtiere am Forum für Wissenschaft & Umwelt zum Begutachtungsentwurf der Verordnung der Oö Landesregierung betreffend die vorübergehende Ausnahme von der Schonzeit für den Wolf vom Juli diesen Jahres liegt der AG nun ein ministerielles Schreiben vor , aus dem zweifelsfrei hervorgeht, dass die Oö. Wolfsabschussverordnung rechtlich gravierend mangelhaft ist. Das Schreiben finden Sie hier.

Insbesondere verstößt nach Auffassung des Ministeriums die oberösterreichische Verordnung – und analog dazu, die Wolfsabschussverordnungen der Bundesländer Kärnten, Tirol, Niederösterreich, Salzburg und Steiermark – gegen zwei europäische Rechtsmaterien, die für Österreich bindend sind: 1. Die Aarhus-Konvention, welche den Rechtszugang der Zivilgesellschaft sicherstellen soll und 2. Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH), weil die entsprechenden Landesregierungen die zwingend erforderliche Einzelfallprüfung missachten, weil nicht erläutert wird, inwieweit Abschuss ein taugliches Mittel ist, das angestrebte Ziel des Schutzes von Weidetieren zu erreichen, weil Herdenschutz als gelinderes Mittel nicht in Betracht gezogen wird, weil quasi „auf Verdacht“ geschossen werden darf und weil unklar bleibt, wie sich die Abschüsse auf das geforderte Ziel und FFH-Verpflichtung auswirken, einen „günstigen Erhaltungszustand“ zu erreichen.

Bezüglich des letzten Punktes ist anzumerken, dass die Notwendigkeit eines aktiven Monitoring unbestritten ist – allein, um geplante Eingriffe in eine Population dahingehend zu überprüfen, ob sie das Erreichen eines „günstigen Erhaltungszustandes“ (FFH) negativ beeinflussen. Daher ist die Etablierung eines aktiven Monitorings in Österreich notwendig und umgehend umzusetzen. Im Moment obliegt das Monitoring de facto der Jägerschaft, was natürlich aufgrund bestehender Interessenskonflikte problematisch ist.

Um allerdings die aktuellen Eingriffe in die Wolfpopulation in Österreich in Form der bereits vollzogenen Abschüsse hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Erreichen eines günstigen Erhaltungszustandes einzuschätzen, genügt die aktuelle Datenlage allemal: Bei sieben Rudeln und einigen umherstreifenden Einzeltieren (https://baer-wolf-luchs.at/verbreitungskarten/wolf-verbreitung) liegt es auf der Hand, dass die Abschüsse das Erreichen eines günstigen Erhaltungszustandes massiv behindern. Es ist ein den Ländern anzulastender Skandal, dass auf Basis einer solch unzuverlässigen Datenlage fortlaufend FFH-rechtswidrige Wolfsabschüsse erlaubt werden.

Ähnliche Einwände brachte die AG Wildtiere und andere Arten- und Tierschutzverbände gegen den oberösterreichischen Verordnungsentwurf, sowie gegen jene der anderen Bundesländer vor, was aber nichts daran änderte, dass diese relativ unverändert verabschiedet wurden. Damit verstoßen diese Bundesländer – offenbar sehenden Auges – gegen bindendes europäisches Recht. Jedenfalls bestätigt die vorliegende rechtliche Beurteilung durch das Ministerium unsere Einwände in allen wesentlichen Punkten.

Bewusster Rechtsbruch durch Landesregierungen und Landtage ist eines Rechtsstaates unwürdig und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Vertragsverletzungsverfahren von Seiten der EC führen.

Reaktionen in den Medien:

Salzburger Nachrichten

Die Presse

MeinBezirk

Pressekommentare von Kurt Kotrschal, Wolf

Wölfe offenbaren die kognitive Dissonanz von Bauernbündlern und Politikern

Erschienen als Kommentar von Kurt Kotrschal in der Serie „Mit Federn, Haut und Haar“ der Tageszeitung „Die Presse“ am 27.07.2020.

Die Wölfe werden nicht wundersamerweise von selber wieder verschwinden. Die einzig rationale Strategie besteht daher darin, Weidetiere fachgerecht zu schützen.

Unverdrossen fordern vor allem Bauernbund und ÖVP-Abgeordnete einen verminderten Wolfschutz, wie gerade eben wieder der wackere Tiroler Josef Hechenberger – töten doch durchziehende Wölfe mit unschöner Regelmäßigkeit Schafe. Man darf sich dennoch über die kognitive Verfassung dieser Herren wundern; so beantwortet die EU-Kommission seit Jahren jegliches Ansinnen negativ, den Schutzstatus des Wolfes in der Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie zu schwächen. Petitionen vor allem aus Österreich, Südtirol und Bayern werden in Brüssel mit immer mehr Kopfschütteln aufgenommen; von jenen Kommissaren und Beamten in deren Ländern man sich mit dem Wolf arrangiert hat. Sie verstehen einerseits nicht, warum jeder einwandernde Wolf zur existenziellen Bedrohung der reichen Alpenländer stilisiert wird und sie werden auch aus anderen Gründen die FFH-Büchse der Pandora geschlossen halten. Gegen die FFH-Richtlinie in Brüssel zu lobbyieren, ist daher zynische Innenpolitik Marke Augenauswischerei.

Die kognitive Dissonanz unserer Mannen zeigt sich in ihrer Weigerung, die Fakten anzuerkennen. Sie halten die Flinte hoch, es ist ihnen aber offenbar nicht klar, was es bedeutet, dass Österreich von tausenden Wölfen in Deutschland, der Slowakei, am Balkan, in Italien, in Frankreich und der Schweiz umgeben ist. Daher wandern ständig Jungwölfe nach Österreich ein, sie verursachen die Schäden an ungeschützten Weidetieren. Auf sie kann man illegalerweise schießen – und man tut es auch. So steht Österreich zunehmend am Pranger, denn wir sind das größte „population sink“ für Wildtiere in Mitteleuropa: Bären, Luchse, Wölfe, Goldschakale, Fischotter, Biber, etc. verschwinden meist spurlos – den Greifvögeln geht es nicht besser. Und nicht mal die Grünen in der Regierung scheint es zu stören.

Abschuss bringt aber keine Sicherheit, weil jederzeit und an jedem Ort in Österreich der nächste Wolf auftauchen und ungeschützte Schafe töten kann. Die Wölfe werden nicht wundersamerweise von selber wieder verschwinden. Die einzig rationale Strategie besteht daher darin, die Weidetiere fachgerecht zu schützen. Für diesen nicht unbeträchtlichen zusätzlichen Aufwand gibt es auf EU-Ebene gut gefüllte Fördertöpfe. Solange sich aber unsere Bündler und Politiker weigern, in Anerkennung der Fakten, diese Mittel auch abzuholen, lassen sie „ihre“ Bauern schlicht im Regen stehen. Zu einer rationalen Strategie, sich mit Wolf zu arrangieren, gehört übrigens auch, Rudelbildung zuzulassen. Denn Rudel können lernen, Weidetiere in Ruhe zu lassen und sie halten fremde Durchwanderer fern. Rudelbildung bedeutet, dauerhaft etwa 6 Wölfe auf 300km2 und fragilen Burgfrieden. Darauf sollte man sich pragmatisch einstellen.

Auch aus politischen Gründen wird die FFH-Richtlinie bleiben wie sie ist. Das zeigt eine gerade publizierte repräsentative Umfrage unter 6 137 zufällig ausgewählten EU-Bürgern aus Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Polen und Finnland. Wölfe hätten ein Existenzrecht meinten 93%, 89% sehen sie als Teil der natürlichen Umwelt und 86% wollen Wölfe in ihren Ländern. Ebenso viele verlangen von ihren Regierungen und der EU, die Bauern beim Herdenschutz zu unterstützen. Das spricht klar für einen stabilen Wolfsschutz, für Herdenschutz und gegen ein „jagdliches Management“ der Wölfe. Alles andere bleibt Illusion.

Pressekommentare von Kurt Kotrschal, Wolf

Ein ambivalentes neues Buch zur emotional geführten Wolfsdebatte

Erschienen als Kommentar von Kurt Kotrschal in der Serie „Mit Federn, Haut und Haar“ der Tageszeitung „Die Presse“ am 13.07.2020.

Klaus Hackländer gibt Antworten auf Fragen nach dem Umgang mit Wölfen. Nicht alle sind wissenschaftlich belegt.

Über kaum ein Thema wird so leidenschaftlich gestritten, wie über den Wolf – was auch gesellschaftliche Bruchlinien offenbart, aber das ist eine andere Geschichte. Für manche ist der Wolf Retter der Biodiversität in Österreich, für andere Totengräber der Almwirtschaft. Beides ist maßlos übertrieben – aber was ist eigentlich Sache? Als einer der wenigen heimischen Wildbiologen kümmert sich darum Klaus Hackländer von der BOKU. Eben veröffentlichte er ein nüchtern geschriebenes, recht ansprechend gestaltetes, aber durchaus auch ambivalentes Buch (Ecowin 2020). In 41 Kapiteln werden die zentralen Themen und Fragen der allzu oft irrationalen Wolfsdiskussion behandelt: Zuwanderung, Biologie und Vermehrung, ihre angebliche „Mordlust“, Alm- und Weidewirtschaft, Kompensation von Schäden, legale und illegale Abschüsse, wieviele Wölfe das Land verträgt, etc.

Es entstand ein knapper, sachlich-pragmatischer, gut lesbarer Text, eine Übersicht, naturgemäß auf Kosten des Tiefgangs. Verständlich, dass es Hackländer nicht immer gelang, neutral zu bleiben. Offensichtlich will er gerade von Jenen gelesen und ernst genommen zu werden, die ein zukünftiges Leben und Wirtschaften mit Wolf (noch) brüsk ablehnen. Das könnte ihm den Vorwurf eintragen, es den Kritikern recht machen zu wollen. Verräterisch, dass ausgerechnet der Schauspieler und Bergbauer Tobias Moretti ein Vorwort verfasste, welches abgedroschene anti-Wolf Klischees wiederkaut und für eine Abschwächung des Schutzstatus der Wölfe durch die Fauna-Flora-Habitatrichtlinie der EU plädiert. Das tut dann auch der Autor, der immer wieder positive Argumente gegen den strengen Artenschutz und für ein „jagdliches Management“ findet. Aber nicht nur. Er betont auch, dass Wolfsabschuss und -bejagung Weidetiere nicht zu schützen vermögen und dass es klüger wäre, Rudelbildung zuzulassen, als mit der ständigen Bedrohung durch Zu- und Durchwanderer zu leben. Er stellt klar, dass an einem sachgerechten Herdenschutz kein Weg vorbeiführt.

Hackländer beansprucht für sein Buch, auf dem „neuesten Stand der Wissenschaft“ zu sein. Darin finde man „schnell authentische, wissenschaftlich begründbare“ Antworten, heißt es im Vorwort; eine elegante Umschreibung dafür, dass auch die redlichste Wissenschaft mehr als eine Antwort auf Wolf und Artenschutz zulässt. Leider werden aber immer wieder in Nebensätzen negative Klischees gestreut und auch Nebel geworfen, indem man etwa rasch noch eine unbelegte Behauptung einbaut. So ist die Überzeugung des Autors durch nichts zu belegen, dass nur der regelmäßige Beschuss Wölfe scheu halten kann.

Die schwächsten Teile des Buches behandeln dann auch das Verhalten von Wölfen und ihre Bedeutung für die Forschung. Hier wird er seinem im Vorwort geäußerten Anspruch nicht gerecht, „profundes Wissen über das wahre Wesen (?!) der Wölfe“ zu vermitteln. Der Autor gibt sich unnötige Blößen, indem er die Bedeutung der komplexen sozialen Organisation der Wölfe auch für die Grundlagenforschung nicht versteht, bzw. bewusst herunterspielt; es mutet billig an, auf diese Weise offenbar Stammtisch-kompatibel werden zu wollen. Dennoch: Es ist ein wichtiges Buch, das genau zur richtigen Zeit kam. Es müsste von allen gelesen werden, die auch nur entfernt an Wölfen und Natur interessiert sind, aber bitte mit einer kritischen Brille!

Pressekommentare von Kurt Kotrschal, Wolf

Die Erderwärmung beklagen, aber auf Wölfe schießen

Erschienen als Kommentar von Kurt Kotrschal in der Serie „Mit Federn, Haut und Haar“ der Tageszeitung „Die Presse“ am 3.12. 2019. 

Offenbar muss sich in der Öffentlichkeit erst durchsprechen, dass Klimawandel und Artensterben zusammenhängen.

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und Ministerin Iris Rauskala riefen ein paar Dutzend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu sich. Man plauderte artig, angetan von der neuen Wertschätzung der Spitzenpolitik für die heimische Wissenschaft. Jenseits aller Details war wohl die Botschaft des Abends, dass sich Österreich zum Wissenschaftsland entwickelt und dass die Zuwendungen an Wissenschaft und Forschung prioritäre Zukunftsinvestitionen sind, nicht bloß „Kosten“. Es braucht mehr Geld, aber auch mehr Stabilität und planvolle Entwicklung, vor allem in der so wichtigen Grundlagenforschung. Zumal man immer weniger mit den USA oder Singapur um Themenführerschaft und die besten Köpfe konkurriert, sondern zunehmend mit der privaten Industrie.

So stockt die Digitalisierung des öffentlichen Dienstes, weil die guten Leute bei Google und Co. landen und immer weniger an unseren Universitäten, oder gar in der staatlichen Verwaltung. Von den Forschungsbudgets dieser Konzerne kann man in Österreich ohnehin nur träumen. Damit bezahlen wir bereits die Rechnung dafür, dass die Staaten darin versagt haben, Rahmenbedingungen zu schaffen, um es diesen Konzernen zu verwehren, die staatlich-demokratischen Strukturen auszuhebeln und unaufhaltsam immer mehr Macht an sich zu ziehen.

Österreich wird aber auch von vielen „Micky-Maus-Problemen“ geplagt, die sich freilich auf den zweiten Blick als erheblich erweisen. So kam mit Kanzlerin und Ministerin das formidable Artenschutzproblem wieder nicht zur Sprache: Österreich ist ein „schwarzes Loch“ für Bär, Luchs, Wolf, Golfschakal und für Greifvögel. Es wird illegal geschossen und vergiftet, was das Zeug hält. Diesbezüglich sind wir Europas Schandfleck!

Dahinter steht der das Land beherrschende Filz zwischen Jagd, Politik und Wirtschaft – in Verbindung mit der spitzbübischen Einstellung, sich um Gesetze nur dann zu scheren, wenn sie einem selbst nützen. Wie die Medien täglich berichten, wird im Bereich des erwähnten Filzes munter korrumpiert, selbst Spitzenpolitiker verkünden augenzwinkernd, „die Jäger würden schon wissen, was zu tun sei, wenn sie einem Wolf begegnen“. So wird der Rechtsstaat täglich ausgehöhlt, und niemanden scheint es zu stören.

Die Vernichtung von Lebensräumen und Mitgeschöpfen ist keineswegs bloß Problem weniger „Spinner“ bei Naturschutzbund oder WWF, sondern erreicht bedrohliche Ausmaße. Seit 1970 verringerte sich auch in Österreich die Zahl von Insekten, Lurchen, Singvögeln etc. um etwa 60 Prozent – 20 Prozent der Arten sind überhaupt verschwunden. Offenbar muss sich in Gesellschaft, Medien und Politik erst durchsprechen, dass Klimawandel und Artensterben zusammenhängen. Die Erderwärmung beklagen, aber auf Wölfe schießen, geht daher gar nicht.

Besonders betroffen macht, dass nicht einmal bei den Grünen ein Bewusstsein dafür zu spüren ist, dass Klimaschutz und der Schutz von Lebensräumen und Arten – gerade in Österreich – untrennbar zusammengehören. Dass den Türkisen dafür das Verständnis fehlt, mag historischen Gründen und Klientelpolitik geschuldet sein, ist aus heutiger Perspektive aber unverantwortlich. Ein Wissenschaftsland muss auch ein Land des Artenschutzes sein: Das eine ist ohne das andere letztlich nicht zu haben.

 

Wolf

EuGH-Urteil bekräftigt strenge Voraussetzungen für Ausnahmen vom Artenschutz bei Eingriffen in Wolfspopulationen – ein Kommentar von Katharina Scharfetter

Quelle: TiRuP 2019/A, 1, DOI: 10.25598 / tirup / 2019-5

In seiner aktuellen Entscheidung zur finnischen Wolfsjagd befasst sich der EuGH mit dem Ausnahmetatbestand in Art 16 Abs 1 lit e FFH-RL und kommt zu dem Schluss, dass sich Ausnahmen vom strengen Artenschutz nur unter sehr strengen Bedingungen auf diese Bestimmung stützen können. Außerdem betont der EuGH darin erneut, dass sämtliche Voraussetzungen für Ausnahmegenehmigungen restriktiv auszulegen sind.

Hier der Link zum EuGH-Urteil und hier zum Kommentar von Katharina Scharfetter.

Pressekommentare von Kurt Kotrschal, Wolf

„Man sollte den Wolf (noch) nicht jagen“ – ein Kommentar von Kurt Kotrschal.

Kommentar von Kurt Kotrschal zum Interview des Leiters des Wiener Instituts für Wildbiologie und Jagdwirtschaft mit dem Profil: „Man muss den Wolf jagen“ in Biorama am 19.08.2019.

Zur Vorgeschichte und damit Sie den Text kennen, auf den Kurt Kotrschal Bezug nimmt, hier der Link zum Interview mit Klaus Hackländer mit dem Titel: „Man muss den Wolf jagen“: https://www.profil.at/wissenschaft/rueckkehr-wolf-oesterreich-10907646 .

Und hier der Kommentar darauf von Kurt Kotrschal, erschienen am 19.08.2019 auf der Homepage von Biorama (https://www.biorama.eu/man-sollte-den-wolf-noch-nicht-jagen-kotrschal/):

Aus dem Blickwinkel des Artenschutzes halte ich einen Gutteil der Aussagen des Wildbiologen Klaus Hackländer für konsensfähig, auch was die Entnahme von »Problemwölfen« betrifft; zu deren Definition endet allerdings die Einigkeit: Denn zum Problemwolf wird er nach internationalen Gepflogenheiten erst, wenn er sich signifikant an entsprechend geschützten Weidetieren vergreift, nicht aber wenn er eine bestimmte Anzahl ungeschützter Weidetiere reißt.

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