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Fakten zum Wolf: Die aktuelle Lage in Österreich
Autor: Kurt Kotrschal
(Stand: Feb. 2022)
Kurzfassung:
- In Österreich gibt es zur Zeit (Feb. 2022) drei Wolfsrudel, seit 2016 eines im Truppenübungsplatz Allentsteig, seit 2018 zwei weitere im Grenzgebiet zu Tschechien, die aber rasch wieder „verschwanden“. Im nördlichen OÖ. und NÖ. bildeten sich aber 2021 je ein weiteres Rudel und es wurden 2021 bis Februar 2022 über die DNA von Rissen mehr als 30 durchziehende Wölfe nachgewiesen. in Österreich leben daher dzt. permanent etwa 10-15 Wölfe, mit den Durchzüglern sind es p.a. etwa 50.
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- Wölfe wurden nirgends in Europa ausgesetzt, auch nicht in Österreich; sie breiten sich selbständig und rasch aus, weil sie eine gute Nahrungsbasis vorfinden und weil die Vermehrungsrate hoch ist.
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- Wölfe sind in Europa umfassend geschützt, durch die Berner Konvention und die Fauna-Flora-Habitat (FFH) Richtlinie der EU; in Österreich sind sie als jagdbares Wild in den Jagdgesetzen geregelt, aber ganzjährig geschont. Seit 2012 gibt es übrigens einen breit akkordierten Wolfsmanagementplan (Rauer et al. 2012). „Problemwölfe“ (die trotz sachgerechtem Herdenschutz Weidetiere reißen oder die Distanz zu Menschen verlieren) dürfen legal entnommen werden, treten aber selten auf.
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- Zwei repräsentative Umfragen (im Auftrag Kurier und WWF) vom Herbst 2017 und ähnliche Umfragen im europäischen Ausland belegen, dass 70-90% der Europäer die Wiederkehr der Wölfe begrüßen, nicht nur die Leute in den Städten, sondern auch am Land. Wölfe sind heute für Menschen so gut wie ungefährlich. Jegliche Panikmache ist daher ungerechtfertigt.
Wölfe zeigen eine rasche Ausbreitung in die Fläche. Einmal etabliert, steigen aber ihre Dichten nicht, weil sie sich effizient selber regulieren (dichteabhängige Regulation durch starke, von etablierten Rudeln ausgehende Interaktionskonkurrenz). Eine routinemäßige Bejagung ist daher eher kontraproduktiv und kann den Druck auf Weidetiere sogar erhöhen´. „Wolfsfreie Zonen“ oder die in den der FFH-Richtlinie zuwiderlaufenden Landesverordnungen von Salzburg, Tirol (beide 2021) und Kärnten (2022) „Weideschutzzonen“ sind weder gesetzlich möglich, noch biologisch oder als Schutz des Weideviehs vor den Wölfen sinnvoll. Generell ist Abschuss keine Lösung.
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- Herdenschutz ist in allen alpinen Lagen, wo sich auch Weidetiere bewegen können, mit vertretbarem Aufwand möglich/nötig. Je nach Lage und Situation umfasst er E-Zäune bis zur ständigen Behirtung. Er verhindert weitgehend den Verluste von Weidetieren durch Wolf und kann dazu beitragen, Verluste durch andere Ursachen (Krankheit, etc.) zu vermindern. Herdenschutz ist DER Schlüssel, um die Konflikte mit und um den Wolf zu minimieren. Er ist auch aus Tierschutzgründen erforderlich. Nach einer EU-Richtlinie vom Nov. 2018 sind Weidetierverluste durch Wolf zu 100% abzugelten. Zudem gelten die Fördermittel der EU auch den Aufwand für Herdenschutz ab, sie müssen aber von der lokalen Politik und Vertretern der LW auch beansprucht werden. Unterstützung für den Herdenschutz gibt es in Ö. etwa durch das Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs in Gumpenstein (https://baer-wolf-luchs.at/) oder das LIFEstock Protect Projekt (https://lifestockprotect.info/).
Etwas ausführlicher:
- Bestand in Österreich: Zur Zeit (Frühjahr 2022) drei Wolfsrudel, seit 2016 eines im Truppenübungsplatz Allentsteig. Seit 2018 gab es zwei weitere im Grenzgebiet zu Tschechien, die aber rasch wieder „verschwanden“. Im nördlichen OÖ. und NÖ. bildeten sich aber 2021 je ein weiteres Rudel und zusätzlich wurden 2021 bis Februar 2022 über die DNA von Rissen mehr als 30 durchziehende Wölfe nachgewiesen. in Österreich leben daher dzt. permanent etwa 10-15 Wölfe, mit den Durchzüglern sind es p.a. etwa 50. Die Zahlen schwanken erheblich übers Jahr, weil im Herbst/Winter die im Frühjahr in den Rudeln geborenen Welpen meist weit abwandern, während Jungwölfe, meist aus dem Ausland zuwandern. Es wurde genetisch nachgewiesen, dass die beiden Rudel von 2018 nicht einfach Jungtiere vom Allentsteiger Rudel sind, ihre Gründertiere wanderten vielmehr aus der Lausitz (Sachsen). Jungwölfe auf Partnersuche (Rudelneugründung) wandern gewöhnlich sehr weit (mehrere hundert, bis über 1 000 km).
Im Gegensatz zu Deutschland, Italien, der Schweiz oder Frankreich geht es mit der Wolfspopulation in Österreich nur sehr langsam aufwärts. Hauptgrund dafür sind illegale Tötungen, die ja auch stark die anderen großen Beutegreifer und die Greifvögel betreffen. Nationale Bemühungen gegen diese Wildtierkriminalität waren bislang wenig erfolgreich.
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- Ausbreitung: Wölfe wurden nirgends in Europa ausgesetzt, auch nicht in Österreich; sie breiten sich selbständig und rasch aus, weil sie eine gute Nahrungsbasis vorfinden und weil die Vermehrungsrate hoch ist (bis zu 30% p.a.). Wölfe breiten sich generell rasch in die Fläche aus. Jungwölfe können pro Nacht mehr als 60km zurücklegen. Wo aber bereits Rudel etabliert sind, steigt die Wolfsdichte (nach Rudelgründung etwa 3-6 Wölfe/300 km2) nicht weiter an, weil Wölfe effizient „dichteabhängige Selbstregulation“ praktizieren, also Nachbarn, bzw. Durchzügler auf Distanz halten oder gar töten. Bejagung (legal oder illegal) destabilisiert dieses System, steigert die Vermehrungsraten und erhöht den Druck auf Weidetiere.
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- Schutz: Wölfe sind in Europa umfassend geschützt, durch die Berner Konvention, vor allem aber durch die europäische Fauna-Flora-Habitat Richtlinie (in Österreich bindendes Recht), und nationale Regelwerke (Wölfe sind in Ö. in den Jagdrechten der meisten Bundesländer als jagdbares, aber ganzjährig geschontes Wild geregelt) und dürfen nur in Ausnahmefällen aus schwerwiegenden Gründen und nach Einzelfallprüfung „entnommen“ werden.
„Problemwölfe“ treten selten auf, wie etwa die Erfahrungen aus Deutschland zeigen; das sind Tiere, welche entweder die Scheu vor Menschen verloren haben oder trotz fachgerecht praktiziertem Herdenschutz (s. unten) in erheblichem Ausmaß Weidetiere töten. Illegale Abschüsse sind ein Verbrechen und werden behördlich verfolgt. Diskussionen über schützen versus „regulieren“ laufen europaweit, sind aber sinnlos, da es innerhalb der EU mit einiger Sicherheit auf absehbare Zeit nicht zu einer Herabsetzung des Schutzstatus des Wolfes kommen wird. Seltsamerweise steigt die Skepsis gegenüber dem Wolf mit dem Wohlstand eines Landes. In Österreich gibt es einen gültigen, zwischen Behördenvertretern, NGOs, Wildbiologen, Jagd und Landwirtschaft akkordierten Plan zum Wolfsmanagement aus 2012 (koordiniert von G. Rauer). Daher sollte man, anstatt zu diskutieren, OB man Wölfe will oder nicht, sich pragmatisch darauf konzentrieren, WIE wir auf Dauer mit Wölfen leben können. Dabei spielt der Herdenschutz (unten) eine Schlüsselrolle.
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- Wollen die Österreicher die Wölfe und sind sie gefährlich?: Die Wiedereinwanderung der Wölfe ruft auch in Österreich nicht nur Freude hervor. Zwei repräsentative Umfragen (Im Auftrag Kurier und WWF) vom Herbst 2017 zeigen aber, dass etwa 70% der Österreich die Wiederkehr der Wölfe begrüßen, nicht nur die Leute in den Städten, sondern auch am Land. Natürlich muss man sich in der Weidetierhaltung und in der Jagdwirtschaft auf Wölfe und andere große Beutegreifer einstellen. Wölfe sind heute für Menschen so gut wie ungefährlich. Jegliche Panikmache ist daher ungerechtfertigt. Es besteht keine Gefahr beim Schwammerlsuchen oder beim Spazierengehen mit Hund, selbst in Wolfsterritorien. Auch die Kinder können auch weiterhin gefahrlos im Freien spielen.
Wölfe bereiten ja nicht nur Probleme, es gibt auch biologisch/ökologische, ethische und gesellschaftspolitische Argumente pro Wolf. So halten Wölfe die Rotfüchse, Goldschakale und andere mittelgroße Beutegreifer kurz und sorgen damit für eine reichhaltige Kleintierfauna, fördern also das Niederwild. Die Bejagung durch Wölfe kann sich zudem positiv auf die Gesundheit von Schalenwild auswirken. Zudem ist es unverständlich, warum man zu Zeiten der großen Biodiversitätskatastrophe im reichen Mitteleuropa nicht mit Beutegreifern leben soll – zumal das eine überwiegende Mehrheit der Europäer will.
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- „Regulieren“? Wölfe zeigen eine rasche Ausbreitung in die Fläche. Einmal etabliert, steigen aber ihre Dichten nicht, weil sie sich effizient selber regulieren (dichteabhängige Regulation durch starke, von etablierten Rudeln ausgehende Interaktionskonkurrenz). Das Beispiel Deutschland zeigt, dass es über weite Bereiche auch ohne Eingriffe in die Wolfsbestände geht. Verluste an Weidetieren können sogar mit der Wolfsbejagung steigen. Prinzipiell sind Wolfsdichten von den Beutetierdichten abhängig. Die effizienteste Kontrolle der Wolfsdichte besteht daher darin, die in Österreich ohnehin viel zu hohen Schalenwilddichten (Rehe, Hirsche, Wildschweine) zu verringern.
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- „Wolfsfreie Zonen“, wie sie etwa für die Alpen von diversen Interessensvertretern gefordert werden, sind aufgrund der Gesetzeslage (FFH-Richtlinie), aber auch wegen der ständigen Zuwanderung weder realistisch, noch praktikabel. Das gilt auch für die der FFH-Richtlinie zuwiderlaufenden Landesverordnungen von Salzburg, Tirol (beide 2021) und Kärnten (2022) festgelegten „Weideschutzzonen“. Wegen dieser das EU-Recht verletzenden Verordnungen leitete die Europäische Kommission (Schreiben vom 21.12.21) ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich ein. Für betroffene Weidetierhalter bieten wolfsfreie Zonen keinen Schutz, weil aus angrenzenden Gebieten ständig Wölfe einwandern. Auch wenn man dort Wölfe abschießt: Der nächste Wolf kommt ganz bestimmt, er wird wieder ungeschützte Weidetiere reißen.
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- Schlüsselfaktor Herdenschutz: Eine Hauptkonfliktzone gibt es um Weidetiere. Herdenschutz klappt wenn er sachgerecht und rechtzeitig durchgeführt wird und vor der Ankunft der Wölfe beginnt. Dazu gibt es bereits reiches know how aus Deutschland, der Schweiz und vielen anderen europäischen Ländern. Tatsächlich ist entgegen vielen Behauptungen Herdenschutz ist in allen alpinen Lagen, wo sich auch Weidetiere bewegen können, mit vertretbarem Aufwand möglich/nötig. Das zeigen etwa die Beispiele Schweiz, Trentino, etc.. Je nach Lage und Situation kann Herdenschutz E-Zäune bis zur ständigen Behirtung großer Herden mit Hunden bedeuten. Er verhindert weitgehend den Verluste von Weidetieren durch Wolf und kann dazu beitragen, Verluste durch andere Ursachen (Krankheit, etc.) zu vermindern. Herdenschutz ist DER Schlüssel, um die Konflikte mit und um den Wolf zu minimieren. Er ist auch aus Tierschutzgründen erforderlich, da es nach geltendem Tierschutzgesetz nicht erlaubt ist, domestizierte Tiere unbeaufsichtigt zu halten, schon gar nicht, wenn sie von Beutegreifern bedroht sind. Herdenschutz dient also auch dem Tierschutz, sowie der „Erziehung“ der Wölfe. Denn sie töten ihre Beute nicht immer „tierschutzkonform“. Zudem lernen Wölfe, dass ungeschützte Schafe einfache Beute sind. Elektrozäune etc. bewirken das Gegenteil und lokale Wölfe lernen so, sich eher an Wildtiere als Beute zu halten. Diese Tradition wird innerhalb der Rudel weitergegeben. Lokale Rudelbildung ist daher keine Gefahr, sondern ist geeignet, die Lage zu beruhigen. Nach einer EU-Richtlinie vom Nov. 2018 sind Weidetierverluste durch Wolf zu 100% abzugelten. Zudem gelten die Fördermittel der EU auch den Aufwand für Herdenschutz ab, sie müssen aber von der lokalen Politik und Vertretern der LW auch beansprucht werden. Unterstützung für den Herdenschutz gibt es in Ö. etwa durch das Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs in Gumpenstein (https://baer-wolf-luchs.at/) oder das LIFEstock Projekt (https://lifestockprotect.info/). Heute ist Österreich Wolfsgebiet. Wölfe können an jedem Ort und jederzeit auftauchen, niederschwelliger, vorbeugender Herdenschutz ist für ganz Österreich zu empfehlen. Weidetierverluste sind übrigens sofort an die zuständigen BHs zu melden. Nur funktionierender Herdenschutz ermöglicht ein konfliktarmes Zusammenleben mit dem Wolf. Almwirtschaft und Wölfe schließen einander daher nicht aus, wie etwa positive Beispiele aus der Schweiz zeigen. Sowohl große Beutegreifer wie Wolf, als auch Weidetierhaltung sind ökologisch begründete gesellschaftliche Anliegen. Es muss daher beides möglich sein, es braucht dafür aber ein gesamtgesellschaftliches Engagement und effiziente Verwaltungsstrukturen, einerseits was das Wildmanagement und andererseits was die Entwicklung und Förderung schadensvorbeugender und –begrenzender Maßnahmen betrifft. Nach einer neuen EC-Richtlinie (Nov. 2018: https://ec.europa.eu/info/news/amendments-state-aid-guidelines-agriculture-sector-better-address-damages-caused-wolves-and-other-protected-animals-2018-nov-08_en) sind Weidetierverluste durch Wolf zu 100% abzugelten. Und neuerdings gibt es auch EU-Mittel für die Förderung von Herdenschutz, auch die Abgeltung des Aufwandes. Bund und Länder müssen diese Mittel aber auch abholen. Schadensabgeltung gebührt der Landwirtschaft, nicht aber der Jagd. Wölfe leben vorwiegend von Schalenwild, das sie (mit Ausnahme der nicht heimischen Mufflons) nicht ausrotten. Zur Gesunderhaltung von Reh- und Hirschpopulationen und zur Kontrolle der Wildschweine können sie aber in erheblichem Ausmaß beitragen. Rechtlich gehört übrigens Wild weder den menschlichen, noch den wölfischen Jägern, beide haben aber ein Aneignungsrecht. Auch im Kulturland ernähren sich Wölfe zum allergrößten Teil von Schalenwild, die „Wildbret“verluste durch Wolf bleiben vergleichsweise gering. Pro Jahr sterben etwa in Österreich an die 60 000 Rehe durch den Straßenverkehr; diese überfahrenen Rehe könnten theoretisch 1 000 Wölfen ernähren (!).
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- Forschung: Flächendeckendes best-practice Wolfsmonitoring und eine Begleitung durch wissenschaftliche Top-Forschung ist erforderlich. Derzeit gibt es wesentlich zu wenig Wildtierforschung und zu wenige unabhängige Forschungsgruppen (tatsächlich nur je eine an den Universitäten für Veterinärmedizin und Bodenkultur – beide werden teils durch die Jagdwirtschaft finanziert). Das gilt nicht nur für den Wolf. Management geht nicht im Blindflug, es braucht Wissen. Das gilt auch für die mögliche rechtskonforme Entfernung von (gut zu definierenden) „Problemwölfen“ im Sinn der FFH-Richtlinie.
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- Brauchen/wollen wir Wölfe? Der Schutz der Wölfe ist in der Berner Konvention und in der FFH-Richtlinie der EU vorgegeben, daher für alle Mitgliedstaaten eine rechtliche Verpflichtung. Die Rückkehr der Wölfe entspricht auch dem mehrfach repräsentativ erhobenen Willen der österreichischen Bevölkerung. Zudem können sich Wölfe über ihre Kontrolle von „Mesopredatoren“ (z.B. Rotfüchse, Goldschakale) durch ihre starke Selektion auf kranke oder schwache Beutetiere günstig auf Biodiversität, Ökologie (z.B. naturnahe Waldentwicklung) und Wildgesundheit auswirken. Im tschechischen Šumava Nationalpark setzt man seit 2018 experimentell auf Rotwildmanagement durch Wölfe und in Wolfsgebieten (Daten 2018 aus der Slowakei) gibt es kaum Ausbrüche von Schweinepest. Wölfe sind daher natur- artenschutz- und im positiven Sinn auch ökonomisch relevant; sie sind nicht bloß ein „Schadfaktor“ oder Konkurrenten, sondern vielmehr potentielle Verbündete von Jagd und Jägern zur Gesunderhaltung des Wildes und auch von Förstern und Waldbesitzern zur Begrenzung des negativen Schalenwildeinflusses auf die Entwicklung der Wälder. Die im Sinne von Klima und Biodiversität so nötige naturnahe Waldwirtschaft wird in Österreich weitgehend durch die mehrfach zu hohen Schalenwilddichten verunmöglicht. Sie zu reduzieren, können Wölfe alleine nicht schaffen, das müssen schon ökologisch denkende menschliche Jäger tun.
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- Eine längst fällige Debatte: Die großen Beutegreifer lösen längst fällige Diskussionen aus. Wolf & Co. können zu zentralen „flagpole species“ für ein Umdenken in der Gesellschaft führen, dass wir nicht alleine auf der Welt sind und dass Menschen nicht das Bewirtschaftungsmonopol für Natur und Landschaft beanspruchen können. In einem der reichsten Länder Europas und der Welt muss es allein aus Solidarität mit ökonomisch vielen schwächeren Regionen möglich sein, die Rückkehr der großen Beutegreifer Wolf, Bär, Luchs, der großen Greife oder auch des Fischotters im Einklang mit den berechtigten Interessen der Landnutzer zu organisieren.
Häufige Argumente gegen Wolf:
- Ist als Art ungefährdet: Stimmt global und auch für Europa, lokale Unterarten sind aber gefährdet; Österreich ist Treffpunkt einiger Populationen (Italien, Polen, Karpaten, Balkan) und daher potentiell wichtig zur Erhaltung der genetischen Diversität und als Migrationskorridor.
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- Wölfe haben keinen Platz in der Kulturlandschaft: Das Beispiel Deutschland zeigt, dass es dennoch möglich ist; aufgrund der Habitatansprüche und Beweglichkeit der Wölfe lassen sie sich nicht auf wenige und zu kleine Schutzgebiete beschränken.
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- Die Europäischen Wölfe sind keine „reinen Wölfe“, sondern Hybride mit Hunden: Es stimmt, dass alle europäischen Wölfe Hundegene tragen. Wölfe tauschen mit Hunden selten aber doch seit 35.000 Jahren Gene aus, sind aber dennoch eine „gute“ Art.
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- Herdenschutz vielfach nicht möglich: Das ist schlicht falsch, erfolgreiche Beispiele gibt es aus Deutschland, der Schweiz, dem Trentino, etc. Herdenschutz muss sachgerecht und lokal angepasst durchgeführt werden. Er ist mit Aufwand verbunden und wirkt nie absolut, sondern macht es für Wölfe unattraktiv Weidetiere zu erbeuten. Lokale Rudel, die Schafe in Ruhe lassen, können hilfreich sein, weil sie Durchwanderer fernhalten.
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- Wölfe fressen „Wildbret“ und schädigen die Jagdwirtschaft: Wölfe sollen ja Wildtiere erbeuten und keine Weidetiere. Davon gibt es im Wesentlichen zu viel. Wild ist nicht Eigentum der Jäger. Sie haben ein Aneignungsrecht, wenn sie es erlegt haben; das gilt auch für Wölfe. Sie rotten Wild nicht aus, verändern aber u.U. dessen Verhalten und machen es vor allem im Rahmen des Revierjagdsystems möglicherweise schwieriger zu bejagen. Jagd sollte aber nicht nur Wirtschaftsform sein, sondern sich auch um den Artenschutz annehmen.
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- Wölfe schädigen den Wald: Das Gegenteil ist der Fall; Wölfe könne sich günstig auf die Naturverjüngung auswirken („wo der Wolf geht, wächst der Wald!“); allerdings gibt es kaum gesichertes Wissen dazu.
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- Angst der Bevölkerung: Es stimmt, dass in den vergangenen Jahrhunderten Wölfe – selten aber doch – Menschen töteten. Hintergrund war ein starker Mangel an natürlicher Beute und teils auch die Tollwut. Dass heute von Wölfen eine sehr geringe Gefahr ausgeht, zeigt das Beispiel Deutschland mit der am schnellsten wachsenden Wolfspopulation der Welt, hunderten Wölfen und bislang keinen kritischen Vorfällen mit Menschen. Völlig ausschließen kann man diese aber nicht.
Literatur
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Europäische Kommission, Mitteilung vom 12.10.21 (C(2021) 7301): Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie. https://ec.europa.eu/environment/nature/conservation/species/guidance/pdf/guidance_de.pdf
Europäische Kommission, Mahnbrief an die Bundesregierung vom 21.12.21, mit 13 Fragen: ÖSTERREICH – EU PILOT(2021)10086 Umsetzung der FFH-Richtlinie 92/43 – Schutz des Wolfes in Österreich.
Europäische Kommission: EU-Plattform zur Koexistenz von Menschen und Großraubtieren: http://ec.europa.eu/environment/nature/conservation/species/carnivores/coexistence_platform.ht Regionale Plattformen zur Koexistenz von Menschen und Großraubtieren: http://ec.europa.eu/environment/nature/conservation/species/carnivores/regional_platforms.ht
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Herdenschutz: Zahlreiche Qellen, s. auch Memo zum Herdenschutz K. Kotrschal (2018), bzw. Kotrschal (2022)
Herdenschutzrichtlinie Schweiz, des Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK, Bundesamt für Umwelt BAFU, Abteilung Arten, Ökosysteme, Landschaften (2016).
Imbert, C., Caniglia, R., Fabbri,E., Milanesi, P., Randi, E., Serafini, M., Torretta, E., Meriggi, A. (2016): Why do wolves eat livestock? Factors influencing wolf diet in northern Italy. Biological Conservation 195: 156–168.
Kojola, I., Hallikainen, V., Helle, T., Swenson, J.E. (2018): Can only poorer European countries afford large carnivores? PLoS ONE 13(4): e0194711. https://doi.org/10.1371/journal.
Koordinierungsstelle für den Braunbären, Luchs und Wolf (2012): Wolfsmanagement in Österreich. Grundlagen und Empfehlungen. Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie, Veterinärmedizinische Universität Wien. 24 S.
Kotrschal, K. (2022) Der Wolf und wir. Wie aus ihm unser erstes Haustier wurde – und warum seine Rückkehr Chancen bietet. Erscheint März 2022 bei Brandstätter
Kristoferitsch, H. (2017): Der Schutz des Wolfes im Lichte des Völker-, Unions- und österreichischen Rechts. Bakk.-Arbeit WU Wien.
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