Kommentar von Kurt Kotrschal zum Interview des Leiters des Wiener Instituts für Wildbiologie und Jagdwirtschaft mit dem Profil: „Man muss den Wolf jagen“ in Biorama am 19.08.2019.
Zur Vorgeschichte und damit Sie den Text kennen, auf den Kurt Kotrschal Bezug nimmt, hier der Link zum Interview mit Klaus Hackländer mit dem Titel: „Man muss den Wolf jagen“: https://www.profil.at/wissenschaft/rueckkehr-wolf-oesterreich-10907646 .
Und hier der Kommentar darauf von Kurt Kotrschal, erschienen am 19.08.2019 auf der Homepage von Biorama (https://www.biorama.eu/man-sollte-den-wolf-noch-nicht-jagen-kotrschal/):
Aus dem Blickwinkel des Artenschutzes halte ich einen Gutteil der Aussagen des Wildbiologen Klaus Hackländer für konsensfähig, auch was die Entnahme von »Problemwölfen« betrifft; zu deren Definition endet allerdings die Einigkeit: Denn zum Problemwolf wird er nach internationalen Gepflogenheiten erst, wenn er sich signifikant an entsprechend geschützten Weidetieren vergreift, nicht aber wenn er eine bestimmte Anzahl ungeschützter Weidetiere reißt.
Wo es sich aber vor allem spießt, ist die Behauptung Hackländers und anderer Wildbiologen, dass Wölfe bejagt werden müssen,
1. um sie scheu zu halten:
In Deutschland laufen im Moment mehrere hundert Wölfe rum. Sie werden nicht bejagt und verlieren ihre Scheu dennoch nicht; diese Behauptung geht im Wesentlichen auf den US-Wildbiologen Val Geist zurück und ist durch nichts zu belegen. Nicht unmöglich, dass das mal der Fall sein könnte, im Moment deutet aber nichts darauf hin, dass man Wölfe im Moment bejagen muss, um sie scheu zu halten. Es gibt sogar Daten, aus den USA, die zeigen, dass Nutztierverluste mit der Intensität der Wolfsbejagung steigen, nicht sinken.
2. weil man sie nicht überall in der Kulturlandschaft dulden könne.
Man hält also am problematischen Konzept der »wolfsfreien Zonen« fest. Dazu ist zu bemerken, dass man durch starken lokalen Beschuss vielleicht verhindern kann, dass sich in einem Gebiet ein Rudel bildet, aber gewonnen ist damit nichts. Schäden machen nämlich überwiegend die umherstreifenden Wölfe auf Partnersuche, deren Auftauchen nie zu verhindern sein wird. Lokale Rudel kann man im Umgang mit Weidetieren »trainieren«, sie schrecken fremde Wölfe ab, sind also eher ein Stabilitäts- denn ein Risikofaktor. Mit solchen Abschussphantasien wiegt man die lokalen Bauern in trügerischer Sicherheit; viel nachhaltiger und vernünftiger wäre es, das vorhandene EU-Geld abzurufen und die Tierhalter beim konsequenten Herdenschutz zu unterstützen. Zudem kommt es bei der Ausweisung von »wolfsfreien Zonen« zum Protest von Leuten, die in den als »Wolfszonen« ausgewiesenen Gebieten leben, wie es ja im Fall des Versuchs durch das Kuratorium Wald schon der Fall war.
Abschuss im Interesse des Artenschutzes?
Was von Klaus Hackländer unerwähnt blieb ist Abschuss im Interesse des Artenschutzes. Gewöhnlich ist Hybridisierung mit Hunden kein Problem für Wölfe in Europa. Das muss aber nicht überall so sein. So zeigte eine neue Untersuchung (Salvatori et al. 2019) erhebliche Einkreuzungen von Hunden in eine italienische Wolfspopulation. Das scheint ein ziemlich italienisches/südeuropäisches Problem zu sein, weil dort viele Streunerhunde unterwegs sind, kam aber auch in Deutschland schon vor. Im Interesse des Artenschutzes muss man auf gutes Monitoring setzen (wie in Deutschland der Fall) und rasch „entnehmen“, wenn wo ein Mischlingswurf auftritt. Generationen später wird es problematisch, da müsste man ganze Populationen abschießen. Abschussquoten und „jagdliche Bewirtschaftung“, wie von der Jagd und manchen Wildbiologen gefordert, bringen aber in keiner Beziehung irgendetwas.
Rationales Wolfsmanagement verträgt sich nicht mit Wilderei
Zudem: Bevor man an irgendeine Art von sinnvollem Wolfsmanagement denken kann, müsste man endlich die illegalen Abschüsse in den Griff bekommen, die offenbar von manchen Politikern und Interessensvertretern nicht ungern gesehen, bzw. sogar öffentlich vertreten werden. Der erschossene, enthauptete Wolf in Sellrain war nur die Spitze des Eisberges. Die Wilderei verhindert die Bildung einer lebensfähiger Population nicht nur beim Wolf, sondern auch bei Bär und Luchs; illegale Abschüsse erklären etwa, warum Wölfe so spät und so zögerlich nach Österreich zurückkommen. Solch kriminelle Aktivitäten konterkarieren jegliches rationale Management. Aber weil diese Strategie auch bei Bär (und in Maßen, auch beim Luchs) erfolgreich war, gibt es für die Wilderer wohl keinen Grund anzunehmen, sie würden damit nicht auch beim Wolf Erfolg haben. Tu felix Austria…!