Nationalpark Kampwald & Wilde Weiden

Positionspapier Nationalpark Kampwald & Wilde Weiden

Fakten zum Projekt 

(Stand: Oktober 2025)
Autoren: 

Bernhard Kohler, Erhard Kraus & Wolfgang Scherzinger 

Hier die aktuelle Version zu unserem Positionspapier Nationalpark Kampwald & Wilde Weiden als PDF.

Vorweg ein Blick in die Zukunft – als Vision für das Kamptal::

  •  „Gleich nördlich des Ottensteiner Stausees beginnt eine Landschaft, die in Österreich ihresgleichen sucht. Es ist ein abwechslungsreiches, sich selbst erhaltendes und ständig wandelndes, natürliches Mosaik aus Wald und Offenland, das sich über mehrere tausend Hektar erstreckt. Es umfasst einen bedeutenden Teil der Kernzonen des neugeschaffenen Nationalparks Kamptal, aber auch weite Teile des Truppenübungsplatzes Allentsteig. Diese Flächen unterschiedlicher Zweckbestimmung bilden zusammen eine funktionelle landschaftliche Einheit, die überwiegend von natürlichen Prozessen gestaltet wird und damit internationalen und nationalen Naturschutz-Zielsetzungen zuarbeitet.
  • Eine besondere Rolle spielen dabei die großen Wildtiere. Wisente, Wildpferde, Taurusrinder, Rothirsche, Rehe, Wildschweine Biber und gelegentlich durchziehende Elche sorgen in diesem Raum dafür, dass auf den zusammengebrochenen und geräumten Borkenkäferflächen der einstigen Fichten- und Rotföhrenforste kein geschlossener, monotoner Pionierwald entsteht. Vielmehr werden die spontan aufwachsenden Bestände aus Birken und Zitterpappeln, Salweiden, Vogelbeeren und jungen Rotföhren durch die Weidetiere aufgelockert und in eine halboffene Landschaft aus kleinen und größeren Waldstücken, Busch- und Baumgruppen und dazwischen liegendem Grasland verwandelt. In den Restbeständen der Fichtenforste, die unter dem Druck des Klimawandels weiter zusammenbrechen, sorgt das nun liegenbleibende Totholz für einen dichten Verhau, der das Aufwachsen von Buchen, Tannen, Linden, Bergulmen und Bergahornen begünstigt, den beherrschenden Baumarten späterer Waldentwicklungsphasen. Durch das Zusammenwirken von Windwürfen, Borkenkäfern, gelegentlichen Bränden und den großen Weidetieren entsteht ein abwechslungsreiches Nebeneinander von Altholzbeständen, Jungwald, Hochstaudenfluren und Grasland. Letzteres ist aus Borkenkäferflächen, vergrasten Schlägen und den Resten der früheren Kulturlandschaft hervorgegangen, vor allem im Bereich des Truppenübungsplatzes. Im beweideten Grasland können im Schutz der Schlehen- und Weißdorngebüsche, die sich hier ausbreiten, lichtliebende Stieleichen und Rotföhren heranwachsen und sich mit der Zeit zu ausladenden breitkronigen Baumgestalten entwickeln. 
  • Die im Gebiet lebenden Wölfe und Luchse verhindern, dass sich der Weidedruck der großen Pflanzenfresser großflächig vereinheitlichend auf die Vegetation auswirkt. Sie tragen zur Bestandsregulation der großen Herbivoren bei und schaffen Räume, in denen der Verbissdruck geringer ist und die Verjüngung des Waldes rascher voranschreiten kann.
  • Die nicht länger durch den Menschen eingeschränkte Aktivität der Biber trägt zu weiterer landschaftlicher Vielfalt bei: Entlang von Bächen werden die freien Fließstrecken immer wieder durch Biberseen und ausgedehnte Sumpfflächen unterbrochen. Wird ein Biberrevier aufgegeben, weil die bachbegleitenden Weidenbestände übernutzt sind oder die Biberfamilie Prädatoren zum Opfer fällt, dann können sich aus den Biberseen- und sümpfen artenreiche Biberwiesen entwickeln. Die Wölfe stellen auch sicher, dass sich die Weiden und Erlenbestände an den Bächen regenerieren und dass so immer wieder neue Ansiedlungsmöglichkeiten für Biber entstehen. Die Aktivität der Biber sorgt auch dafür, dass die aus Tschechien zuwandernden Elche sich länger hier aufhalten und das Großherbivoren Spektrum vervollständigen.
  • Die Vielfalt und besondere Qualität der sich dynamisch entfaltenden Mosaiklandschaft wird durch das Vorkommen anspruchsvoller Vogelarten dokumentiert. Im Gebiet kommen Schwarzstorch, Seeadler, Wachtelkönig und Feldschwirl vor, die Bestände von Bekassine, Raubwürger und Schlagschwirl haben sich erholt, in den Bibersümpfen hat sich der Kranich angesiedelt und die Kornweihe brütet regelmäßig in den Sukzessionsflächen. Die spektakuläre Vogelwelt und die Beobachtung der Großtierherden sind Grundlage für einen blühenden Naturtourismus. Entlang von markierten Pfaden am Rand der Wilden Weiden können Besucherinnen fasziniert verfolgen, wie eine vom menschlichen Nutzungsdruck befreite Landschaft sich entfaltet, verändert und weiterentwickelt…“

Die Vorgeschichte:

  • Seit 2024 hat das Land NÖ ein Nationalpark-Projekt im mittleren Kamptal im Bereich der Windhag-Stipendienstiftung in Aussicht genommen. Als erster Baustein soll ein Naturschutzgebiet im Dobrabachtal in der Größe von 274 ha entstehen, dessen Finanzierung beim Biodiversitätsfonds zur Förderung eingereicht und bewilligt wurde.
  • Die Planungen wurden bisher vom Büro Knoll (Wien) im Auftrag des Landes umgesetzt, sie sollen sich im Wesentlichen auf Flächen des Gutes Ottenstein der Windhag-Stipendienstiftung (3.120 ha) und allenfalls dazwischen liegende Waldflächen der FV Jaidhof beziehen, im möglichen geschätzten Gesamtausmaß von etwa 4.000 ha.
  • Der Landesumweltanwalt informiert gemeinsam mit dem Planer Knoll eine Gruppe aus interessierten Einzelpersonen, NGOs und der Bürgerinitiative Lebendiger Kamp in regelmäßigen Abständen über das Vorhaben. Außerdem wurde landesseitig eine regionale Unterstützergruppe in Zwettl rund um Günter Liebl gegründet, um eine Vernetzung und Information in der Region zu gewährleisten.

Position der AG Wildtiere zum Nationalpark-Projekt Kampwald:

  • Die AG Wildtiere begrüßt das Vorhaben eines weiteren Nationalparks im Waldviertel, sieht jedoch die Fokussierung vorrangig auf Betriebsflächen der Windhag-Stipendienstiftung (Gut Ottenstein) aufgrund der Waldausstattung und des aktuellen Zustands des Großteils dieser Wälder als wenig aussichtsreich, um IUCN-konforme Kernzonen auf mindestens 75% der Fläche des Nationalparks erreichen zu können.

Eine an IUCN-Zielen ausgerichtete Schutzgebietskonzeption ist allerdings in Österreich seit langer Zeit notwendige Voraussetzung, um sowohl eine IUCN Anerkennung, als auch Fördergelder des Bundes für dessen Einrichtung und Betrieb zu erlangen. Und sie entspricht § 2 Abs.1 des NÖ Nationalparkgesetzes, LGBl. 5505-0. 

  • Ein IUCN-konformer Nationalpark muss auf dem Großteil seiner Fläche dem Prozessschutz gewidmet sein, also ausreichend nutzungsfreie Kernzonen aufweisen, wozu auch das Zulassen natürlicher Störungen wie Windwürfe, Insektenkalamitäten oder Überschwemmungen zählt.
  • Zu den ökosystemrelevanten Prozessen gehören auch die Interaktionen zwischen großen Pflanzenfressern und der Vegetation und Landschaft, weshalb die Wiederherstellung der autochthonen Artengarnitur an Herbivoren (v.a. Wild-Rinder und Pferde) und ihrer Antagonisten, den großen Prädatoren Wolf und Luchs, eine notwendige funktionale Bedingung für einen Nationalpark im Kamptal darstellt.
  • Das Gut Ottenstein (ca. 3.120 ha)  in Verbindung mit dem nördlich angrenzenden TÜPL Allentsteig (ca. 15.700) bietet aufgrund der Grundbesitzstruktur, der Flächenrelationen, der räumlichen Lage (im Zentrum des Waldviertels), der landschaftlichen Ausgangslage (nördlich der großen Stauseen Ottenstein und Dobra) und der geringen Zerschneidung durch Verkehrsachsen für österreichische Verhältnisse durchaus günstige Voraussetzungen für die  Errichtung und Entwicklung eines solchen Großschutzgebiets, sofern die Kernzonen-Thematik gelöst wird.
  • Die funktionale Verbindung von Nationalpark Kampwald (Gut Ottenstein) und militärisch genutzten Flächen (TÜPL Allentsteig) sowie weiteren naturschutzfachlich höchst relevanten Teilgebieten im mittleren und unteren Kamptal sollte in Form eines umhüllenden Biosphärenparks Kamptal in einem Stufenplan umgesetzt werden. Das würde nicht nur die Naturschutz-Aufgaben in der Region sondern auch die naturtouristischen und regionalwirtschaftlichen Ziele und Potenziale bestmöglich unterstützen.
  • Der Nationalpark Kampwald und angeschlossene, bestehende und neu auszuweisendeSchutzgebiete im mittleren und unteren Kamptal könnten die Kernzonen eines umrahmenden Biosphärenparks Kamptal bilden und einer gemeinsamen Schutzgebietsverwaltung unterliegen.
  • Die neuen Schutzgebiete könnten in Abhängigkeit von der Bereitschaft der Grundeigentümer, den verfügbaren Finanzmitteln und den bereits vorliegenden Planungsgrundlagen stufenweise eingerichtet werden. Dazu könnte von der Naturschutz- und der Forstabteilung des Landes, gemeinsam mit den Umweltverbänden und den Grundeigentümern ein Arbeitsübereinkommen zur mittelfristigen Umsetzung festgelegt werden (LOI), um diese Ziele mittel- bis langfristig zu erreichen.

Der Flachauer Teich (25 ha) und seine Umgebung in der Potenzialfläche Ottensteiner Seenplatte (Knollconsult 2025) sind geprägt von flutendem Wasser-Knöterich (rosa blühend), kleinen Schilfröhrichten, Seggenbeständen und ausgedehnten Sumpfwiesen; 30.07.2025 (© E. Kraus)

Fakten im Detail: 

Zielsetzung des Positionspapiers

Die AG Wildtiere begrüßt die Initiative des Landes Niederösterreich, im zentralen Waldviertel – ausgehend von den Flächen der Windhag Stipendienstiftung und der Forstverwaltung Jaidhof – ein Großschutzgebiet einzurichten, das den Anforderungen der IUCN entspricht und den Zielen der Europäischen Biodiversitäts-Strategie zuarbeitet. Nach den Vorstellungen der Landesregierung und den rechtlichen Vorgaben des NÖ Nationalparkgesetzes, LGBl. 5505-0, muss das geplante Schutzgebiet als IUCN-konformer Nationalpark realisiert werden. Das bedeutet, dass erhebliche Teile des Gebiets dem Prozessschutz gewidmet sein sollen, also einem Naturschutz-Konzept, das autogene ökologische Prozesse in den Mittelpunkt des Gebietsmanagements stellt

In Prozessschutzgebieten besteht das Management in erster Linie darin, die Rahmenbedingungen für die freie Entfaltung und Wirksamkeit autogener ökologischer Prozesse zu schaffen, ohne dass der Mensch innerhalb des Schutzgebiets lenkend und korrigierend in diese Abläufe und ihre Ergebnisse eingreift (Scherzinger 2012). Das Zulassen natürlicher Vorgänge in den gebietstypischen Ökosystemen bezieht sich nicht nur auf Sukzessionen, Alterungs-, Reifungs- und Verjüngungsprozesse, sondern muss auch die Akzeptanz von wiederkehrenden, landschaftsgestaltenden Störungen umfassen, wie z.B. Windwürfen, Überschwemmungen, Insektengradationen oder von Blitzschlag verursachten Bränden. Ganz entscheidende ökologische Prozesse ergeben sich auch aus den Interaktionen von großen Pflanzenfressern mit Vegetation und Landschaft sowie mit den großen Beutegreifern, die auf ihre Bestände einwirken. Weil das unbeeinflusste Zulassen der großräumig wirksamen Störungen eine sehr hohe Anforderung darstellt, müssen sich Prozessschutzgebiete über relativ große Flächen erstrecken und gegenüber der umgebenden Landschaft entsprechend abgepuffert sein, etwa mit Hilfe von randlichen Borkenkäfer-Managementzonen, Brandschneisen, Wildschutzzäunen etc. 

Die AG Wildtiere möchte mit vorliegendem Positionspapier die Umsetzung eines wichtigen Teilaspekts der Prozessschutzbemühungen im künftigen Nationalpark unterstützen: die Wiederherstellung eines möglichst vollständigen Spektrums an einheimischen, wildlebenden Großherbivoren und ihrer Wirkung auf die Landschaft.

Die AG Wildtiere ist sich bewusst, dass dies nur auf Teilflächen des geplanten Nationalparks realisierbar ist und sieht deshalb die Notwendigkeit und Chance, das ohnedies notwendige Offenlandmanagement des angrenzenden Truppenübungsplatzes Allentsteig (bei aufrecht bleibender und entsprechend angepasster militärischer Nutzung) in die Überlegungen mittels Vereinbarung mit der Heeresverwaltung einzubeziehen und künftig mit Hilfe der großen Weidegänger effizienter, flächenwirksamer und kostengünstiger zu gestalten. 

In Hinblick auf die Rückkehr der großen Pflanzenfresser, aber auch in Bezug auf andere landschaftsgestaltende ökologische Prozesse sollen Nationalpark- und Militärflächen eine funktionelle Einheit bilden. Idealerweise wären diese beiden Gebiete trotz ihrer unterschiedlichen Zweckbestimmung in den größeren Rahmen eines Biosphärenparks eingebettet, auch wenn die militärische Nutzung prioritär und das Betretungsrecht stark eingeschränkt bleiben wird. Dort bilden sie zusammen mit wertvollen Naturwald-Flächen im Mittleren Kamptal die Kernzonen-Ausstattung des Biosphärenparks. Den verschiedensten Aspekten des Prozessschutzes in diesen Kernzonen – vom klassischen, strengen Waldnaturschutz an den Kampeinhängen bis zu der von Weidegängern gesteuerten, dynamischen Entwicklung der Sukzessionsflächen im Windhagschen Stiftungsgebiet – stehen die vom Menschen gestalteten Landschaftsteile in den Pflegezonen des Biosphärenparks gegenüber. Aus Sicht der AG Wildtiere sollte keiner dieser Ansätze gegen die jeweils anderen ausgespielt werden. Denn nur in der Zusammenschau eröffnen die unterschiedlichen Zonen für Besucher:innen die Möglichkeit, Zustände, Ausprägungsformen und Entwicklungsoptionen  der vielfältigen Waldviertler Landschaft zu erleben. Beständigkeit zu genießen, den Wandel zu verfolgen und Neues, Überraschendes zu entdecken, sollte der thematische Fokus aller Teile des Großschutzgebiets in der Kampregion sein.

Wozu brauchen wir im Waldviertel Wisent, Konik, Rothirsch, Wolf & Co.? 

Folgende Überlegungen veranlassen die AG Wildtiere dazu, große Herbivoren (und ihre Prädatoren) als unverzichtbare Bestandteile eines IUCN-konformen Nationalparks im Waldviertel zu betrachten: 

  • Ziel 1 der österreichischen Nationalpark-Strategie 2020+ lautet: „In der Naturzone [österreichischer Nationalparks] erfolgt eine natürliche Entwicklung entsprechend den IUCN-Vorgaben. Die zentrale Aufgabe jedes Nationalparks ist der Schutz ursprünglicher Natur durch das Zulassen natürlicher Prozesse. Gemäß den internationalen Vorgaben (IUCN Schutzgebietskategorie II) sind grundsätzlich mindesten 75% der Fläche in eine vom Menschen nicht mehr wirtschaftlich genutzte Zone überzuführen…“ (Nationalparks Austria 2017, Hervorhebung – auch unten – hinzugefügt).
  • In einer erläuternden Fußnote wird in der Nationalparkstrategie die IUCN-Definition von Nationalparks in Erinnerung gerufen. Demnach sind „Schutzgebiete der Kategorie II zur Sicherung großräumiger ökologischer Prozesse ausgewiesene, großflächige natürliche oder naturnahe Gebiete oder Landschaften samt ihrer typischen Arten- und Ökosystemausstattungdie auch eine Basis für umwelt- und kulturverträgliche geistig-seelische Erfahrungen und Forschungsmöglichkeiten bieten sowie Bildungs-, Erholungs- und Besucherangebote machen“ (Dudley 2008, in der Übersetzung von EUROPARC 2010).
  • In weiten Teilen der wissenschaftlichen Ökologie hat sich ab den 1980er Jahren die Auffassung durchgesetzt, dass zur oben angesprochenen „typischen Arten- und Ökosystemausstattung“ vieler natürlicher oder naturnaher Ökosysteme unbedingt auch große Herbivoren gehören (Peek 1980, Naiman 1988, Singer 1990, Remmert 1991, Scherzinger 1995). Große Pflanzenfresser sind allerdings nicht nur einfache Bestandteile natürlicher Lebensgemeinschaften, sondern sie beeinflussen maßgeblich die Zusammensetzung, die Struktur und die Funktionsweise der Ökosysteme bzw. der Landschaften, in denen sie leben. Sie sind vielerorts ein wesentlicher Bestandteil der natürlichen Veränderungen („Störungs“-Regime), das diese Landschaften kennzeichnet (Senn 2019) und sie wirken als Schlüsselarten, das heißt als Arten, die ihren Lebensraum und den ihrer Mitbewohner weit mehr beeinflussen und gestalten, als nach ihrem Anteil an der lebendigen Biomasse zu erwarten wäre (Power et al. 1996). Manche Arten fungieren sogar als sogenannte Ökosystem-Ingenieure (Wright & Jones 2006), indem sie entscheidend die Ressourcenverfügbarkeit für andere Arten in ihrem Lebensraum steuern – prominentestes Beispiel hierfür ist der Biber (Rosell et al. 2005). Beweidung durch wildlebende, pflanzenfressende Großsäugetiere zählt jedenfalls zu den maßgeblichen natürlichen Prozessen in vielen Ökosystemen. 
  • Die herausragende ökologische Rolle der großen Herbivoren hat prinzipiell auch in Mitteleuropa Gültigkeit. Allerdings hat die frühzeitige Ausrottung wildlebender Großsäugetiere bzw. ihr Ersatz durch domestizierte Weidegänger hier zu der irrigen Annahme geführt, dass Beweidung ein reines Kulturlandschafts-Phänomen wäre und in der europäischen Naturlandschaft keinen Platz und keine Bedeutung gehabt habe. Besonders vehement wurde diese Ansicht in Hinblick auf Waldökosysteme vertreten. Die Beschäftigung mit Waldökologie war lange Zeit vorwiegend forstwirtschaftlich geprägt (Diskussion in Scherzinger 1996) und spätestens ab dem 19. Jahrhundert wurden Wald und Weide von der Forstwirtschaft als unvereinbare Gegensätze gesehen, weil jegliche Weidetätigkeit im Wirtschaftswald – gleich ob durch Haus- oder Wildtiere – als ertragsmindernd und waldzerstörend eingestuft wurde. Erst die bahnbrechenden Überlegungen von Vera (2000) haben hier neue Perspektiven eröffnet. Aus heutiger Sicht gibt es keine Zweifel mehr, dass die Weidetätigkeit von großen Pflanzenfressern die Zusammensetzung, Dynamik und langfristige Evolution auch der mitteleuropäischen Wälder mitgestaltet hat (Bunzel Drüke 1997, Sommer et al. 2016, Pearce et al. 2023 & 2025), diskutiert wird allerdings noch das Ausmaß der Beeinflussung, das sich offenbar je nach Standortsbedingungen, Höhenstufen und Waldtyp differenziert gestaltet hat (Übersicht und kritische Diskussion in Hodder et al. 2009). Für das mitteleuropäische Tief- und Hügelland wird jedenfalls von einem z.T. erheblichen Einfluss ausgegangen, speziell in Gebieten, in denen Bäume durch Klima- und Bodenfaktoren zusätzlichem Stress ausgesetzt sind. Eine detaillierte Darstellung der ökologischen Rolle heimischer Weidegänger findet sich im Anhang des Positionspapiers.
  • Sowohl bei der Einrichtung von Schutzgebieten, als auch im Rahmen von Renaturierungsmaßnahmen ist deshalb eine Berücksichtigung der Weidetätigkeit großer wildlebender Herbivoren essentiell. Geradezu unverzichtbar erscheint sie in Hinblick auf die Schaffung von Prozessschutzgebieten, in denen es ja um das (Wieder-)Zulassen aller gebietstypischen Prozesse und um die Erhaltung bzw. Wiederherstellung vollständiger autochthoner Lebensgemeinschaften geht. Sogenanntes „Trophic Rewilding“ durch Wiederherstellung der gebietstypischen Großherbivoren- (und Prädatoren-)Gilde gehört mittlerweile zum weithin anerkannten Methoden-Repertoire von Renaturierungsmaßnahmen und Schutzgebiets-Entwicklungsvorhaben quer durch Europa (Expertisecentrum LVN 2004, Finck et al. 2004, Finck 2009, Vermeulen 2015, Cromsigt et al. 2017, Bakker et al. 2018, Jepson et al. 2018, Schoof et al. 2018, Brakhane & Hackländer 2025). Im deutschen Sprachraum hat sich für derartige Projekte der Begriff der „Wilden Weiden“ etabliert (Bunzel-Drüke et al. 2009).
  • Auch in der Naturlandschaft des östlichen und nördlichen Österreichs gab es (unter vergleichbaren Klimabedingungen wie heute) ein reiches Spektrum an großen Weidegängern. 
    Es hat in regional unterschiedlicher Zusammensetzung aus Wildpferd, Wisent, Auerochse, Elch, Rothirsch, Reh, Wildschwein und Biber bestanden, in den Waldsteppen des pannonischen Raums eventuell noch ergänzt um den Europäischen Wildesel. Diesen großen bis mittelgroßen Weidegängern standen als Prädatoren Wolf, Bär und Luchs gegenüber (Spitzenberger 2001, Zunst 2023). Neben den noch heute hier lebenden, bzw. nach ihrer regionalen Ausrottung ins Gebiet zurückgekehrten Arten Rothirsch, Reh, Wildschwein und Biber sind aus höheren Lagen des Waldviertels archäozoologisch Wisent und Elch nachgewiesen, während Auerochse und Wildpferd zumindest in pannonisch beeinflussten Randbereichen der Böhmischen Masse vorkamen (Spitzenberger 2001) – für eine genaue Abgrenzung ihres Verbreitungsgebiets ist die archäozoologische Untersuchungsdichte allerdings noch zu gering. Wisent und Elch hatten im Waldviertel jedenfalls ein wichtiges, bis ins Frühmittelalter bestehendes Rückzugsgebiet. 
  • Aus der Sicht der AG Wildtieres sollte die Einrichtung eines Nationalparks im Waldviertel daher unbedingt auch Elemente eines Trophic Rewilding-Programms enthalten, d.h. die Wiedereinführung von großen, wildlebenden Weidegängern. Diese nationalparkkonforme Wiederherstellung gebietstypischer natürlicher Artenspektren und autogener Prozesse sollte wenigstens auf Teilflächen des Nationalparks angestrebt werden, wobei darauf zu achten ist, dass die unterschiedlichen funktionellen Rollen der einzelnen wildlebenden Weidetierarten gebührend berücksichtigt werden, dass also nicht jede Art als beliebiger Ersatz für eine andere dienen kann. Die beiden ausgestorbenen Schlüsselarten Auerochse und Wildpferd sollten durch ihre domestizierten Äquivalente ersetzt werden, wobei idealerweise die der Wildform möglichst ähnlichen Formen Konik-Pferd und Taurus-Rind zum Einsatz kommen sollten (von der Verwendung des Przewalski-Pferdes  also des zentralasiatischen Steppenwildpferdes – ist im klimatischen und ökologischen Kontext des Waldviertels eher abzusehen). 

Ausgangslage und Defizitanalyse

  • Auf den ersten Blick ist die Ausgangslage für die Errichtung eines IUCN-konformen Nationalparks auf den in Summe 3.120 Hektar großen Flächen der Windhag Stipendienstiftung nicht allzu günstig. Viele der Ansprüche, welche die IUCN an einen Nationalpark stellt (Dudley 2008, EUROPARC 2010) sind im Gebiet nur bedingt erfüllt, stellen bei Berücksichtigung entsprechender Punkte allerdings lösbare Probleme dar. Problematisch erscheint sowohl die für einen Nationalpark vergleichsweise geringe Flächengröße, als auch die Tatsache, dass ausgehend vom aktuellen Zustand des Gebiets keine großflächig intakten, vollständigen und naturnahen Ökosysteme vorhanden sind bzw. sein können. Vielmehr sind weite Teile des Gebiets durch eine historisch und wirtschaftlich zwar verständliche, intensive Landnutzung und ihre Folgen geprägt. Das gilt besonders für die Forstwirtschaft und den Umgang mit der Flusslandschaft des Kamps. 
    Nur vergleichsweise kleine Waldflächen sind noch als naturnah anzusprechen, über weite Strecken prägen bzw. prägten forstliche Monokulturen aus Fichten und Rotföhren die Landschaft. Massive Windwürfe und Borkenkäfergradationen haben jüngst zum flächenhaften Zusammenbruch dieser künstlichen Waldbestände geführt und eine Landschaft hinterlassen, die von vielen Beobachter:innen als devastiert empfunden wird. Der Flusslauf des Kamps wiederum ist durch die Stauseen tiefgreifend und irreversibel verändert. Neben dem Zusammenbruch der Fichten-Monokulturen ist aus ökologischer Sicht positiv, dass sich durch den Einstau und die dadurch verringerte Zugänglichkeit mancher Oberhänge des Taleinschnitts kleinflächig naturnahe Waldbestände erhalten bzw. entwickeln konnten – außerhalb des Stiftungsareals (aber noch im Projektgebiet) mit dem „Dobra-Urwald“ sogar ein außergewöhnlich naturnahes, wenn auch sehr kleines Waldstück. Dem Stausee fehlen betriebsbedingt naturnahe Uferzonen, wie sie für ein natürliches Gewässer gleicher Größe und Lage typisch wären. Die touristische Nutzung und Erschließung der Stauseen kann ebenfalls als ziemlich intensiv bezeichnet werden, wäre in eine Außenzone des Nationalparks allerdings integrierbar. Die landwirtschaftliche Nutzung des Windhag´schen  Stiftungsgebiets ist dagegen weniger intensiv, im Bereich der Flächen des Ökokreises Waldviertel werden sogar bewusst extensive Bewirtschaftungsformen gepflegt. 
    Europarc (2010) weist allerdings darauf hin, dass speziell in Europa viele prospektive Nationalparkgebiete nicht nur an ihrem aktuellen Zustand, sondern auch an ihremRenaturierungspotenzial gemessen werden sollten. In diesem Zusammenhang wurde der Begriff des „Entwicklungsnationalparks“ geprägt, in dem sich der naturschutzfachliche Wert des Gebiets erst langsam, durch schrittweise Renaturierung der Ökosysteme und Artengemeinschaften einstellt. In unterschiedlichem Umfang handelt es sich bei fast allen mitteleuropäischen Nationalparks um Entwicklungsnationalparks, auf den geplanten Nationalpark Kampwald würde dies aber in besonderem Maß zutreffen.

Warum erkennt die AG Wildtiere im Projektgebiet dennoch besondere Chancen für eine Nationalparkentwicklung mit großen Weidegängern?

  • Ein wesentliches Plus des Gebiets ist sein ökologisch überaus wertvolles „Hinterland“, der 15.700 Hektar große Truppenübungsplatz Allentsteig. Dieser seit fast 90 Jahren aus der konventionellen Landnutzung genommene und für die Öffentlichkeit weitgehend gesperrte Raum zeichnet sich durch eine große Vielfalt an Biotoptypen aus und ist zum Rückzugsgebiet für seltene, anderswo bereits ausgestorbene Arten bzw. für verfolgte Arten wie Wolf und Biber geworden. Naturschutzfachlich besonders wertvoll sind die ehemaligen Kulturlandschaftsanteile des Areals. Sie wurden entweder sich selbst überlassen und sind nachfolgend „verwildert“ oder sie unterliegen einer nur sehr extensiven Pflege in Hinblick auf den militärischen Übungsbetrieb bzw. werden „passiv“ von dessen Wirkungen (z.B. gelegentlichen Bränden) offengehalten. In jedem Fall sind sie von den negativen Entwicklungen in der herkömmlichen österreichischen bzw. Waldviertler Landschaft (Intensivierung, Flurbereinigung, Gewässerregulierung, Entwässerung, Infrastrukturausbau etc.) verschont geblieben. Diese Landschaftsteile erstrecken sich über viele tausende Hektar und begründen den Status des TÜPL als überaus wertvolles Natura 2000 Gebiet (Vogelschutzgebiet).Die Waldanteile des TÜPL hingegen werden von der Verwaltung zwar konventionell genutzt, haben in jüngster Zeit aber ähnliche dramatische Veränderungen erfahren wie die Wirtschaftswälder der Umgebung – mit dem Unterschied, dass hier eine vollständige Räumung und Wiederaufforstung von Borkenkäferflächen nicht (oder nur teilweise) durchgeführt wird (Rechnungshof 2018/19; https://www.truppendienst.com/themen/beitraege/artikel/naturraum-am-tuepl-allentsteig), wobei neuerdings auch Häher-Saat zum Einsatz kommt (https://www.tuepl.at/2023/01/26/der-eichelhaeher-unser-pflanzhelfer/). Dadurch kam es zu einem sprunghaften Anstieg der Totholzmengen und zum Beginn eines natürlichen Umbaus der Wälder durch freie bzw. Eichelhäher unterstütze Sukzession in Richtung standortsheimischer Laubmischwald. Der „Wildnischarakter“ des TÜPL wird durch diese unerwarteten Entwicklungen erheblich gestärkt. An anderer Stelle sinkt in jüngster Zeit der Naturschutzwert des Gebiets wiederum, weil die spontane Verwaldung vieler nicht mehr gemanagter Offenlandflächen zu einem Verlust an Lebensräumen und zu einer Monotonisierung des Landschaftsbildes führt. Diesbezüglich wird seit längerem über die Durchführung naturschutzkonformer und zugleich umsetzbarer bzw. finanzierbarer Pflegemaßnahmen diskutiert, bislang allerdings ohne Ergebnis. 

Großflächige Brachen und Buschlandschaften prägen die TÜPL-Landschaft; 03.09.2025 (© E. Kraus)

  • Angesichts der Größe, des ökologischen Zustands und des naturschutzfachlichen Potenzials des TÜPL schlägt die AG Wildtiere in Hinblick auf die Wiedereinführung großer Herbivoren eine enge Zusammenarbeit zwischen Bundesheer und Nationalpark vor. Weil die für eine Beweidung geeigneten Nationalparkflächen für sich genommen zu klein sindum langfristig ein vollständiges Spektrum an wildlebenden einheimischen Großherbivoren in sich selbst erhaltenden Beständen zu beherbergen, sollten möglichst große, angrenzende Teile des TÜPL bei fortgesetzter militärischer Nutzung in ein gemeinsames, prozessschutzorientiertes Weideregime einbezogen werden. Für den TÜPL hätte dies den großen Vorteil, dass die aus militärischen und naturschutzfachlichen Gründen dringend notwendige Ausweitung/Verbesserung des Offenlandmanagements auf eine völlig neue, wirksame und langfristig nachhaltige Basis gestellt werden könnte. Im Nationalpark wiederum würde dadurch die Wiederherstellung entscheidender ökologischer Prozesse ermöglicht, ohne dass die räumlichen Einschränkungen zu ständigen korrigierenden Managementeingriffen zwingen. Für ein weidetierbasiertes Offenlandpflege-Modell von aktiven Truppenübungsplätzen gibt es in Deutschland ein gutes Beispiel, das Rotwildmanagement auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr (Meissner et al. 2017), das für den TÜPL Allentsteig übernommen, adaptiert und auf ein deutlich breiteres Weidegänger-Spektrum ausgeweitet werden müsste. 

Die Landschaftsbilder rund um den Flachauer Teich ähneln dem TÜPL Allentsteig, 30.07.2025 (© E. Kraus)

  • In den naturfernen Waldbeständen des Windhag´schen Stiftungsgebiets wurde durch Windwurf und Borkenkäfer sozusagen der „ökologische Reset-Knopf“ gedrückt. Hier besteht die einmalige Chance, von Anfang an große Weidegänger an der Wiederherstellung der natürlichen Waldzusammensetzung bzw. der natürlichen Landschaftsdynamik zu beteiligen. Weil auf den geeigneten Flächen nicht vordringlich auf bereits vorhandene (und an bisherige Landnutzungsformen gebundene) Schutzgüter geachtet werden muss, bestünden hier für ein „Wilde Weiden“- Vorhaben womöglich weniger potenzielle Einschränkungen, als in ökologisch hochwertigen Gebieten anderswo. 
  • Die Möglichkeiten zur Abgrenzung einer großen, initialen Weidefläche sind in Teilen des Stiftungsgebiets besonders günstig. Ein experimenteller Anfang könnte auf rund 1.000 Hektar im Westen der Stiftungsflächen gemacht werden, also auf der Gesamtheit der „Potentialfläche Ottensteiner Seenplatte“, ergänzt um Flächen im Nordteil der „Entwicklungszone Ottensteiner Seenplatte“ (Bezeichnungen nach Gebietskarte in Knoll 2024), wobei als Begrenzungslinien im Nordosten die L75 und im Osten das Kulturland um Zierings und Schloss Ottenstein dienen sollte. Ausgenommen werden müssten natürlich auch die Campingplatz- und Freizeitareale westlich und südlich des Schlosses. Aus Gründen der Verkehrssicherheit, des Kulturland-Schutzes und der Besucherlenkung müsste wohl die gesamte Ostgrenze des Weidegebiets mittels Zäunung gesichert werden. Im Nordwesten grenzt das Gebiet auf breiter Front an den TÜPL Allentsteig an. In der ersten Phase des Projekts, zumindest aber so lange wie kein gemeinsames Weidemanagement mit dem TÜPL vereinbart ist, könnte auch dieser Bereich mit Zäunen gesichert werden. Mittelfristig wäre jedoch unbedingt eine Öffnung zum TÜPL hin anzustreben. Im Süden erweist sich das Vorhandensein des Stausees mit seinen steilen Ufern als ideale Begrenzung des Weidegebiets, lokal erforderlichenfalls ergänzt um neu zu errichtende künstliche Barrieren. In einem zweiten Schritt könnten die Weideflächen in das Gebiet der Fischteiche nördlich von Waldreichs ausgeweitet werden. Andere vorgeschlagene Nationalparkflächen im Osten und Südosten des Gebiets sowie südlich des Stausees sollten bewusst nicht in ein umfassendes Weideprogramm einbezogen werden. Damit könnte nicht nur eine gewisse Vielfalt in den verfolgten Naturschutz-Ansätzen gewährleistet, sondern auch schwierige Entscheidungen in Hinblick auf den Umgang mit kleinen, wertvollen Waldbeständen wie dem „Urwald Dobra“ vermieden werden. Es muss betont werden, dass auch in der Naturlandschaft der Weidedruck nicht flächendeckend und gleichmäßig gewesen sein dürfte. In diesem Sinn wären auch Kernzonenteile, die beweidungsfrei bleiben, prozessschutz-bzw. leitbildkonform. 
  • Ein besonderer Vorteil des Projektgebiets ergibt sich aus dem Umstand, dass der angrenzende Truppenübungsplatz das einzige beständige und verlässliche Wolfsvorkommen Österreichs beherbergt. Während neu entstehende Wolfsrudel überall sonst in Österreich unter intensiven Verfolgungsdruck geraten und immer wieder reduziert bzw. ausgelöscht werden, ist das Allentsteiger Rudel dank der aktiven Naturschutzpolitik der TÜPL-Verwaltung und des Sonderstatus des Gebiets vor Verfolgung weitgehend sicher. Das ist insofern bedeutend, als der erfolgreiche Aufbau von Großherbivoren-Beständen letztlich auch auf das Vorhandensein von Großprädatoren angewiesen ist, die im Verbund mit anderen Faktoren bestandsregulierend wirken und die räumliche Verteilung des Weidedrucks steuern. Ohne die Einwirkung von großen Beutegreifern besteht die Gefahr, dass rasch anwachsende Großherbivoren-Populationen ihre Nahrungsbasis übernutzen und es zu spektakulären Bestandszusammenbrüchen kommt, die auf nur geringe öffentliche Akzeptanz stoßen. Das in seiner ursprünglichen, radikalen Konzeption gescheiterte niederländische Weideprojekt Oostvardersplassen (Lin 2019) steht hier als warnendes Beispiel vor Augen. Zu den bereits vorhanden Wölfen könnte im Gebiet in absehbarer Zeit auch der Luchs als weiterer Großprädator kommen, möglicherweise sogar durch spontane Wiederbesiedlung, ausgehend von den bestehenden Vorkommen im Böhmerwald, die fallweise auch ins westliche Waldviertel, ins Mühlviertel und sogar bis in die Wachau ausstrahlen. Der TÜPL und seine weitere Umgebung würden aber auch für ein gezieltes Luchs-Wiederansiedlungsprojekt ausreichend Platz bieten. 
  • Durch extensive Beweidung stellen sich erfahrungsgemäß relativ rasch greifbare Naturschutzerfolge ein (Nickel et al. 2016, Ranow et al. 2019), während das bloße Warten auf eine spontane Regeneration degradierter Landschaftsteile oft erst nach Jahrzehnten sichtbare Erfolge zeitigt. Angesichts der erforderlichen Verbesserung der Ausgangslage in den Stiftungsflächen, was die Ausstattung mit naturnahen und naturschutzfachlich hochwertigen Flächen betrifft, wäre eine durch Beweidung geförderte und beschleunigte Schaffung von wertgebenden Strukturen, Lebensräumen und Artengemeinschaften ein wichtiges Argument für die Rechtfertigung des Nationalparks
  • Ein Wilde Weiden Projekt wäre bei konsequenter, d.h. wirklich prozessschutzorientierter Ausrichtung absolut kernzonenkompatibel, unabhängig von der vorangegangenen Nutzung der ausgewiesenen Flächen. Dadurch würde eine IUCN-konforme Zonierung des Projektgebiets wesentlich erleichtert, die ja auf einen Kern- bzw. Naturzonenanteil von mindestens 75% abzielen sollte. Bei Aufrechterhaltung des Status quo ergäbe sich im Projektgebiet hingegen ein Überhang von Kulturlandschaftsflächen bzw. von dauerhaft managementbedürftigen Flächen, die eigentlich nicht mehr als 25% des Gebiets ausmachen sollten. 

Ein Wolf im TÜPL Allentsteig, 13.10.2017 (© E. Kraus)

  • Die Wiederherstellung eines möglichst vollständigen Spektrums an wildlebenden Herbivoren, die noch dazu unter der Kontrolle von Prädatoren stehen, ist bislang noch in keinem anderen österreichischen Nationalpark gelungen – zum Teil, weil die streng geschützten Naturzonen der Parks nur aus Landschafts-Ausschnitten bestehen, die für die meisten Arten ungeeignet sind (z.B. extreme Hochgebirgslagen oder dauernd überflutete Schilfgebiete), vor allem aber auch, weil es die Landnutzung im Umland nicht zulässt. Wegen der intensiven Verfolgung im Nationalparkumfeld haben es nicht einmal die ausbreitungskräftigen Wölfe geschafft, die österreichischen Nationalparks zu besiedeln, sodass auch die Prädatoren-Gilde nur höchst unvollständig vertreten ist. Die umfangreiche Beweidung im Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel wiederum versteht sich aktuell noch weitgehend als Kulturlandschaftspflege und arbeitet mit entsprechenden Methoden und Schwerpunktsetzungen. Der Nationalpark Kampwald könnte in Verbindung mit dem TÜPL durch ein erfolgreiches Trophic Rewilding-Programm ein Alleinstellungsmerkmal erlangen, das auch naturtouristisch höchst wirksam wäre. Bislang haben in Österreich – in deutlich kleinerem Maßstab – erst vereinzelt vergleichbare Projekte stattgefunden, etwa an der Pielach (Kraus 2013), der Lainsitz bei Gmünd (Schmidt & Scherzinger 2012) oder im WWF-Auenreservat Marchegg (WWF Österreich 2022). Sowohl die positiven naturschutzfachlichen Ergebnisse als auch die naturtouristischen Erfahrungen, die mit diesen vergleichsweise kleinflächigen Projekten gesammelt wurden, deuten darauf hin, dass ein Wilde Weiden-Projekt im Nationalpark-Maßstab außerordentliche Resultate erbringen könnte. 

Welche Schritte sind zur Umsetzung eines Wilde Weiden-Projekts im geplanten Nationalpark nötig?

  • Zunächst bedarf es eines klaren Bekenntnisses der Entscheidungsträger und der Nationalparkplanung dazu, die Idee des Trophic Rewilding zu einem Kernthema des Naturzonen-Managements im geplanten Nationalpark zu machen. Zur näheren Prüfung der Idee, Konzeptentwicklung, Detailplanung und Vorbereitung müssten in einem Stufenplan die entsprechenden Ressourcen bereitgestellt werden.
  • Die Beauftragung einer Machbarkeitsstudie, die den Umfang, die Abgrenzung und die Durchführbarkeit des Vorhabens prüft sowie den Weg zur Umsetzung vorzeichnet und die benötigten Ressourcen abschätzt, wäre der nächste logische Schritt. Im Rahmen einer solchen Studie müssten auch die vielen technischen Details eines Wilde Weiden-Projekts zumindest angesprochen, wenn auch noch nicht abschließend geklärt werden. Die Fragen reichen von der Artenauswahl, der Reihenfolge des Herdenaufbaus, der ökologischen Tragfähigkeit des Projektgebiets, dem Herdenmanagement und der Bestandsregulation über Fragen der Besucherlenkung, der begleitenden Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, des Nachbarschaftsschutzes, des Krisenmanagements, der notwendigen rechtlichen Voraussetzungen bis hin zu Haftungsfragen etc. Es gibt mittlerweile detaillierte Handbücher und Erfahrungsberichte aus erfolgreichen Projekten, die bei der Erstellung und Beantwortung des Fragenkatalogs hilfreich sein können (z.B. Bunzel-Drüke et al. 2009, 2015, Vlassaker et al. 2014, Vermeulen 2015, Linnartz et al. 2015 , Stichting Rewilding Europe 2021, Westerhof 2025). Wertvolle Informationen können auch den in Österreich bereits erarbeiteten Konzepten entnommen werden, wie etwa der Machbarkeitsstudie für die Ganzjahresbeweidung der Lainsitzniederung bei Gmünd (Schmidt & Scherzinger 2012) sowie den Planungsunterlagen für ein noch nicht realisiertes Weidevorhaben im Mittleren Kamptal bei Altenburg (Scherzinger 2008).
  • Parallel zur Erarbeitung der Machbarkeitsstudie müsste mit dem Verteidigungsministerium und der TÜPL-Verwaltung Gespräche aufgenommen werden, um die Einbeziehung substanzieller Teile des Militärgebiets in ein gemeinsames, prozessschutzorientiertes Weideprojekt zu verhandeln. Es sollte dabei ausdrücklich nicht um eine Eingliederung des TÜPL in den geplanten Nationalpark gehen, sondern nur um ein gemeinsames, abgestimmtes Wildtiermanagement, dessen Zweck im TÜPL die Offenlanderhaltung aus militärischen und naturschutzfachlichen Gründen ist und das im Nationalpark die Voraussetzungen für die Umsetzung von umfassendem Prozessschutz schaffen soll. Die militärische Nutzung des TÜPL sollte davon weitgehend unberührt bleibenDies wäre durchaus im Sinn der Europäischen Biodiversitätsstrategie 2030, die eine Einbeziehung von militärischen Übungsflächen in das System strengen Schutzes unter dem Titel OECM („Other Effective Conservation Measures“) vorsieht, ohne die militärische Nutzung solcher Flächen in Frage zu stellen oder dort zwingend formale Schutzgebiete ausweisen zu müssen (Europäische Kommission 2022). Es ist an dieser Stelle nochmals zu betonen, dass der ganze Erfolg des Wilde Weiden-Vorhabens im geplanten Nationalpark Kampwald an der Einbeziehung des TÜPL hängt. Die für eine Beweidung geeigneten Stiftungsflächen sind alleine zu klein, um ein nationalparkkonformes Rewilding Projekt durchzuführen. Bliebe das Weideprojekt dauerhaft auf diese Flächen beschränkt, so würde dies ein Ausmaß an wiederkehrenden lenkenden Eingriffen erfordern, das nicht mit dem Prozessschutzauftrag und den Eingriffsregeln einer Nationalpark-Naturzone vereinbar ist. Selbstverständlich kann das Weideprojekt vorrangig auf den Stiftungsflächen initiiert und von dort aus schrittweise aufgebaut werden. Das anzustrebende autonome Funktionieren der Wildtierbeweidung wird aber unbedingt auf die TÜPL Flächen angewiesen sein. Zur Unterstützung der Gespräche mit dem Bundesheer sollten auch gemeinsame Besuche in Vergleichsgebieten vorgesehen werden, etwa auf dem schon erwähnten aktiven Truppenübungsplatz Grafenwöhr oder in deutschen Großschutzgebieten, die aus stillgelegten Militärflächen hervorgegangen sind und in denen Großtierbeweidung eine Rolle spielt (Königsbrücker Heide, „Westfalens Wilder Westen“, Döberitzer Heide, „Thüringeti“ etc., Übersicht in Schoof et al. 2018). Auch niederländische Rewilding-Vorhaben wie das Wisentprojekt Kraansvlak könnten instruktive und inspirierende Vorbilder liefern. 
  • Schon frühzeitig müsste mit der Schaffung der notwendigen rechtlichen Voraussetzungen begonnen werden. Dies betrifft z.B. die Anwendung des § 35a des Forstgesetzes auf das Projektgebiet (und evtl. auch auf den TÜPL). Dieser Ausnahmeparagraph setzt für sogenannte „Biotopschutzwälder“ die strengen Vorgaben außer Kraft, die das Forstgesetz hinsichtlich der Pflicht zur Wiederbewaldung, zur Schädlingsbekämpfung und zur Vermeidung von „Waldverwüstung“ vorsieht – letztere wird von Forstseite ja traditionellerweise mit Waldweide assoziiert. Außerdem sind auch zahlreiche veterinärrechtliche Fragen zu klären und zu regeln, etwa was den Umgang mit Großtierkadavern oder mit Tierseuchen betrifft, aber auch was die Haltungsbedingungen und die Kennzeichnungspflicht für Rinder und Pferde angeht, die nicht als Wildtiere, sondern als Haustiere gelten. Da die Lösung der durch diese Rechtsvorschriften aufgeworfenen Probleme erfahrungsgemäß komplex ist, sollte frühzeitig mit ihrer Bearbeitung begonnen werden – auch, um entsprechende Ausnahmeregelungen in einem zu verfassenden Nationalparkgesetz verankern zu können. 
  • Sobald die genannten notwendigen Grundlagen geschaffen sind und ein Weg zur Umsetzung vorgezeichnet ist, kann mit der Detailplanung und Umsetzung begonnen werden, die idealerweise im Rahmen eines EU-kofinanzierten LIFE Projektes stattfinden sollte. Dazu wird auch dringend die Beiziehung internationaler Experten empfohlen, wie etwa der niederländischen Stichting Rewilding Europe, der Taurus Foundation oder der Vereinigung ARK Nature. Diese Organisationen verfügen über umfangreiche Erfahrungen im Aufbau und in der Durchführung von großflächigen Rewilding-Projekten. Zum Teil sind sie auch in der Lage, die benötigten Weidetiere (Wisent, Taurusrinder und Konikpferde) bereitzustellen. Neben LIFE bietet sich als naturschutzstrategische Grundlage (ab 2028) auch der bis 2026 nach Brüssel zu meldende, österreichische Wiederherstellungsplan im Rahmen der Renaturierungsverordnung an, um eine langfristige Basis für substanzielle EU-Kofinanzierung und ein tragfähiges Bund-Bundesländer-Finanzierungsmodell (Art. 15a B-VG) zu schaffen (Schratzenstaller & Sinabell 2025).
  • Last but not least soll auch darauf hingewiesen werden, dass die sicherlich aufwendige Vorbereitung und Umsetzung eines Wilde Weiden-Projekts nicht zu Lasten von Flächensicherungsaufgaben im geplanten Nationalpark und seinem engeren und weiteren Umfeld gehen darf – etwa zu Lasten des Schutzes wertvollster Waldflächen im Mittleren Kamptal. Die Landesregierung muss sich der Tatsache bewusst sein, dass die Schaffung eines Nationalparks, der in hohem Maß auf Renaturierungsmaßnahmen angewiesen ist, einen höheren Mittelaufwand erfordert als die passive Unterschutzstellung von bereits hochwertigen Gebieten. Zugleich darf wegen der Renaturierungsnotwendigkeiten nicht auf den Schutz wertvoller Teilflächen vergessen werden, die in der Region vorhanden sind.

Anhang 1: 

Regionalentwicklung Kampwald (aus: Knollconsult 2025)

Anhang 2: 

Große Weidetiere als Gestaltungsfaktor von Vegetation und Landschaft
(Wolfgang Scherzinger)

Zeitgemäße Großschutzgebiete von nationaler und internationaler Bedeutung folgen dem Dynamik-Konzept eines ganzheitlichen Naturschutzes, der die laufenden Veränderungen naturgeprägter Ökosysteme und deren Artenausstattung nicht nur akzeptiert, sondern in sein Leitbild integriert.

Die Sicherung von Artengemeinschaften und Abläufen, jeweils „so naturnah/natürlich wie möglich“ (IUCN-Kriterien in Dudley 2008), findet in „Prozessschutz-Gebieten“ eine wirkungsvolle Umsetzung mit hohen Ansprüchen. Ausschlaggebend für die Qualität des Schutzgebiets-Managements sind dabei die Umfeldbedingungen, soweit sie die Prozesse maßgeblich beeinflussen. Dazu zählt neben Flächengröße und Ausgangslage samt bisherigen Nutzungen und Einflüssen, Barrieren und Fragmentierung im Umfeld durch den Menschen etc. ganz entscheidend die Artenausstattung. Denn im Gegensatz zur traditionellen Auffassung, dass z. B. Wildtiere bloß passive Nutzer des Lebensraumangebots jeweiliger Landschaftsräume sind, erkennt man heute die prägende Rolle vieler Wirbeltiere als Gestaltungsfaktor von Vegetation und Landschaft. Neben den Höhlenbauern (z. B. Spechte, Dachs), den Horst- und Nestbauern (z. B. Greifvögel, Störche) und den Samenverbreitern (z. B. Eichelhäher, Eichhörnchen) sind es vor allem die großen Pflanzenfresser, deren Einwirkung auf Pflanzendecke und Böden den Charakter ganzer Landschaften bestimmen, und damit auch das Lebensraumangebot einer Fülle an Nutznießern aus Flora und Fauna. Folgerichtig gelten Groß-Herbivoren als Schirm- und Leitarten in Prozessschutz-Gebieten, wobei die erwünschten Prozesse umso natürlicher ablaufen, je weiter sich die Artenvielfalt an die ursprüngliche Fauna Mitteleuropas annähern kann, denn eine natürliche Entwicklung von Vegetation und Standort ist nur im Einfluss einer natürlichen Artenausstattung zu erwarten.

Nach paläontologischen Funden lässt sich nicht nur für die letzte Warmzeit (Eem) sondern selbst für die letzten Kaltzeiten eine Fülle an herbivoren und carnivoren Großtieren in Mitteleuropa bestätigen (vgl. Wokac1999), deren Einwirkung auf Vegetation und Landschaft heute kaum noch zu rekonstruieren ist. Zum Beginn der erdgeschichtlichen Neuzeit (Holozän) lässt sich freilich ein dramatischer Schwund an großen Pflanzenfressern belegen, wobei bis dato strittig ist, in welchem Grade Veränderungen von Klima und Vegetation oder auch das Jagdverhalten der frühen Menschen dazu beitrugen (Martin & Klein 1984, Bunzel-Drüke et al. 1993/94, Pearce et al. 2025).

Mit dem Rückzug der eiszeitlichen Steppen und der Ausbreitung von Wäldern wurde der Lebensraum für Weidetiere der offenen Landschaft drastisch verkleinert; nach Mammut, Wollnashorn und Riesenhirsch verloren auch Steppenwisent, Rentier, Saiga-Antilope und Wildpferde essentielle Nahrungsgründe. Als relevante Akteure verblieben nacheiszeitlich Biber, Wildschwein, Rothirsch, Reh und Elch, auch Gams und Steinbock, an großen Vertretern Wisent und Auerochse, für kurze Zeit auch Wildpferd (randlich sogar Wildesel).

Die überlebenden Huftierarten konnten sich entweder in verbliebene Offenbereiche zurückziehen (z. B. alpine Matten, Moore, Sümpfe, Schotterterrassen an großen Flüssen, Felsköpfe und Schutthalden). Oder aber es gelang den großen Pflanzenfressen, durch Beweidung, Tritt, Schälung und Verbiss ausreichend große Lücken im Wald offenzuhalten, womit sie zum Schlüsselfaktor für all jene Arten aus der Pflanzen- und Tierwelt wurden, die auf solches Offenland angewiesen sind (Owen-Smith 1989, Schüle 1992, Hofmann & Scheibe 1997, Vilmer Thesen 2007). Die These der „halb-offenen Weidelandschaft“ geht davon aus, dass eine Jahrhunderte währende Co-Evolution von Waldvegetation und Herbivoren – zu beiderseitigem Vorteil – stattgefunden hat (de Vries 1995, Sonnenburg & Gerken 2004), eine Etablierung der typischen Biodiversität von deutlich aufgelockerten Waldlandschaften demnach erst durch die Aktivitäten großer Weidetiere erreicht werden kann.

Als zoogene Faktoren, die die Artenvielfalt durch Waldweide bestimmen, seien aufgelistet:

  • Aufbrechen der (wirtschaftsbedingten) harten Grenzen zwischen Wald und Offenland,
  • Entwicklung eines Landschaftsmosaiks mit diversen Übergängen zwischen Wiese, Weide, Gebüsch und Wald,
  • Auflichtung von Dickungen und Hochstauden- (auch Schilf-)Komplexen,
  • Selektion der Vegetationszusammensetzung,
  • Begünstigung von Lichtbaumarten und verbisstoleranten Baumarten,
  • Begünstigung von Rasengesellschaften,
  • Schaffung von Sonderstandorten (Rohboden, offene Sand- und Kiesflächen, Bodenverwundung, Verdichtung oder Vernässung durch Tritt),
  • Schaffung von Sonderstrukturen (Wälzplatz, Scheuerstellen, Bruchholz, Trampelpfade, Wühlstellen, Suhlen),
  • Verbreitung von Samen (über Kot, Transport im Fell und an Hufen),
  • Nährstoffumlagerung (Geilstellen, Latrinen; Kotanhäufung an Lagerplätzen im Wald, Aushagerung im Offenland),
  • Synergismen der Aktivitäten einzelner Arten (z. B. Biberwiesen und Elch, Biberteich und Wasservögel, Dungfauna und insektivore Vögel),
  • Synergismen der Beweidung mit Feuerökologie (z. B. Bodenfeuer im Trockengras),
  • Begünstigung einer entsprechenden Karnivoren-Fauna.

Nutzung und Beeinflussung der Vegetation durch große Huftiere

Die einzelnen Huftierarten haben nicht nur unterschiedlichen Nahrungsbedarf, sie beeinflussen die Vegetation auch in artspezifischer Weise (vgl. Ernährungs-Typen in Hofmann 1982): Demnach gelten Wildpferde und Auerochsen (bzw. die davon domestizierten Abkömmlinge) als vorwiegende „Grasfresser“ („grazer“-Typ). Während aber Pferde entsprechend ihrer Zahnstellung und Fraßtechnik die Pflanzen bis zum Boden abweiden, bei Nahrungsmangel sogar die Graswurzeln nutzen, können Rinder nur höheres Gras abrupfen, unterstützt durch ihre kräftige Zunge. Häufiger als diese beiden Huftierarten nutzen Wisente auch Waldbereiche, zumal sie neben Gräsern auch Laub und Rinde von Büschen und Bäumen nutzen („intermediärer“ Typ). Rinder benötigen große Mengen an hochwertiger Pflanzenkost, können als Wiederkäuer dabei selbst hochgiftige Pflanzen verwerten (z. B. Eibe, Farne, Giftpilze). Pferde hingegen sind mit ihren ausgeprägten Blinddärmen in der Lage, auch nährstoffarme Pflanzenteile zu verwerten, selbst dürres Gras oder trockenes Holz, sie sind aber sehr sensibel gegenüber Pflanzengiften (speziell Eibe). Reh und Elch wiederum sind als Konzentrat-Selektierer charakterisiert, d. h. sie nehmen gezielt leichtverdauliche und energiereiche Pflanzenteile auf (wie junges Laub, Triebspitzen, Kräuter = browser“-Typ). Durch die bevorzugte Nutzung von Weiden, Erlen und Birkengewächsen wirken Elche – gemeinsam mit dem Biber – als Schlüsselarten in Flusslandschaften.

Groß-Herbivoren nutzen die Landschaft keineswegs großflächig oder gar undifferenziert. Vielmehr beweiden sie gezielt immer wieder dieselben Teilflächen, wo das jung-nachwachsende Gras besonders leicht verdaulich und faserarm ist. Da sie gleichzeitig sogenannte Geilstellen (Kotplätze) nachhaltig meiden, stabilisieren sie ein aus Weideflächen, Altgras und Hochstauden, Strauch- und Baumbewuchs vernetztes Vegetationsmuster. Alle Huftiere schälen Strauch- und Baumrinde bei winterlichen Nahrungsengpässen, wobei das Pferdegebiss deutlich effektiver ist als das der Wiederkäuer. Als Komfortverhalten scheuern sich Großtiere an Bäumen, auch suchen sie bestimmte überschirmende Bäume regelmäßig als Sonnen- oder Regenschutz auf, was durch Huftritt zu Beschädigungen der Borke bzw. des Wurzelsystems führen kann. Pferde schließen sich zumindest saisonal zu größeren Herden zusammen, und üben dadurch nicht nur einen massiven, landschaftsprägenden Weidedruck aus, sondern auch eine nachhaltige Bodenverdichtung durch Huftritt.

Aus dieser Gegenüberstellung wird deutlich, dass die gewünschten Prozesse einer Vegetations-Differenzierung durch große Pflanzenfresser nur in synergetischem Zusammenwirken unterschiedlicher Ernährungs- und Verdauungs-Typen zu aktivieren sind. D. h. eine rein quantitative Aufstockung z. B. eines Rothirsch-Bestandes würde zu unweigerlichem Verlust bevorzugter Pflanzenarten führen (z. B. „Entmischung“ der Waldverjüngung). Im Zusammenwirken von grazernbrowsern und Konzentrat-Selektieren kann sich hingegen eine trophische Kaskade ausformen, bei der die großen bzw. anspruchsvollen Tierarten über Nahrungsangebot und Siedlungsdichte der kleineren bzw. anspruchsloseren Arten mitentscheiden. Als „Grundausrüstung“ würde daher zumindest je ein Vertreter jedes Ernährungstyps benötigt: 

 PferdeRinderHirscheNagerSchweine
Grasfresser-TypKonikHeck-Rind   
Gras / Intermed. Wisent   
Intermediär-Typ  Rothirsch  
Konzentrat-Sel.  Elch, RehBiber 
Allesfresser    Wildschwein

Empfehlungen zur Artenauswahl

Wisent (Bison bonasus)

Als Abkömmling des eiszeitlichen Steppenwisents ist der eurasische Wisent eine Geschwisterart des amerikanischen Bisons und wie dieser durch einen imposanten „Buckel“ dichtes, braunes Wollhaar, zottigen Kinnbart und relativ kurze, nach innen gekrümmte Hörner gekennzeichnet. Stiere wiegen 530-929 kg, Kühe 320-540 kg (Lindner et al. 2008). Mit ihrem dichten Fell sind Wisente an kühlere Klimate angepasst und können Bergregionen bis über die Waldgrenze besiedeln.

Das Hauptverbreitungsgebiet des Wisents reichte – in mehreren Unterarten bzw. Ökotypen – von den Alpen bis in den Kaukasus und von Nordeuropa bis ins westliche Asien (Lindner et al. 2008). Bemerkenswert zahlreiche Nachweise liegen auch aus dem Waldviertel vor (Raabs/Thaya, in Pucher & Schmitzberger 1999), sogar aus dem mittleren Kamptal, wo der Wisent noch im frühen Mittelalter ein bedeutendes Jagdwild der örtlichen Fürsten darstellte (Gars/Kamp, in Kanelutti  1990). In jüngerer historischer Zeit lebten die größten Bestände im nördlichen Mittel- und Osteuropa (wo deren Verbreitung mit der des Auerochsen großteils überlappte; Lengerken 1953, Frevert 1957).

Wisente werden im Wesentlichen den „Grasfressern“ zugeordnet, doch spielen Hochstauden und Laub sowie Triebe und Rinde von Bäumen eine erhebliche Rolle in der Nahrungswahl, speziell im Winter. Entsprechend werden frische Sukzessionsflächen mit reichlich Buschwerk und Jungwälder (bis ins Stangenholz-Alter) bevorzugt aufgesucht. Infolge deutlich höherer Ansprüche an die Nahrungsqualität als z. B. Hausrinder wählen Wisente selektiv Pflanzenteile mit geringeren Anteilen an Ballast- und Abwehrstoffen (wie Zellulose, Lignin, Kieselsäure). Dadurch ist ihr Einfluss durch Verbiss von Jungbäumen und Schälen von Stämmen (bis Baumholzstärke) vor allem in jungen Waldbeständen ganz erheblich. Außerdem beschädigen sie Baumstämme durch gezielte Hornstöße. An produktiven Standorten verrichten Wisente bis zu 80% der Nahrungssuche in Wäldern (Krasinski & Krasinska, in Popp 1999).

Wisentgehege Hardehausen / Deutschland, 15.10.2004 (© E. Kraus)

Als Bewohner stark durchbrochener Wälder gruppieren sich Wisente i. R. zu kleinen Herden, die großräumig umherstreifen und saisonal auch zwischen Sommerweiden im Bergland und Wintereinständen in Tal- und Hügellage wechseln. Für die Bergwälder im Kaukasus kalkulieren Borowski et al. (1967) 12-15 Wisente auf 10 km² (entspricht 1 Groß-Vieh-Einheit auf 70-80 ha). Als maximale Siedlungsdichte in polnischen Wisent-Schutzgebieten nennt Perzanowski (2008) 1 GVE auf 2,1- 6,7 ha (im Extrem bis zu 28 ha). 

Stiere leben einzelgängerisch oder in separaten Gruppen. Da Kühe bei guter Ernährung schon mit 2-3 Jahren empfängnisbereit sind, besteht bei kleinem Tierbestand das Risiko einer Verpaarung mit dem genetischen Vater. Hier ist auf strikte Inzuchtmeidung zu achten, zumal alle Wisente des Weltbestandes wegen der sehr kleinen Zahl an Gründertieren ohnehin miteinander sehr eng verwandt sind. Beim Herden-Management sind daher entweder die Jungkühe von ihrem Vater rechtzeitig zu trennen, oder der Stier ist regelmäßig auszutauschen. 

Auerochs / Ur (Bos primigenius)

Dieses imposante Wildrind mit massigem Körper, schwarzbraunem Fell und weit geschwungenen Hörnern war nacheiszeitlich über ganz Eurasien und Nordafrika verbreitet und dürfte sich in mehrere Unterarten aufgespalten haben, die sich in Körpergröße, Fellfarbe und Hornform unterschieden haben sollen (Lengerken 1953, Frisch 2010). In Mitteleuropa ehemals häufig, ist der Ur über Knochenfunde vereinzelt auch aus dem Waldviertel nachgewiesen. Nicht nur in Höhlen der Böhmischen Masse, die von steinzeitlichen Jägern benutzt worden waren, fanden sich Knochenfragmente erlegter Auerochsen (Woldrich 1897), auch in Abfallgruben aus dem frühen Mittelalter lässt sich dieses wehrhafte Rind für den Böhmerwald noch nachweisen (z. B. Gars/Kamp, in Kanelutti 1990). Wie sich aus den prähistorischen und historischen Nachweisen rekonstruieren lässt, fand sich der Lebensraum der Auerochsen vorwiegend im grasreichen Offenland, speziell an Wiesen großer Flussauen und in Niedermooren oder Marschen der Niederungen (Hofmann et al. 1998, Spitzenberger & Bauer 2001, van Vuure 2005), weshalb dieses Wildrind in den offeneren Landschaften des Donauraums häufiger war als in den waldreichen Taleinschnitten des höher gelegenen Waldviertels (vgl. Pucher 1997,Pucher & Schmitzberger 1999).

Van Vuure  (2005) nimmt an, dass die natürliche Dichte des Auerochsen bei 1 Individuum pro 2km² (bzw. 200ha) gelegen ist. 

Wiewohl als Wildtier endgültig ausgestorben, lebt das Erbe der Auerochsen in den zahlreichen Rassen an Hausrindern fort, speziell was die Ernährungsweise und das Sozialverhalten betrifft. Ausgehend von der Annahme, dass sich wesentliche Merkmale des Ur-Rindes in den weniger überzüchteten Primitivrassen erhalten konnte, unternahmen die Gebrüder Heck im 20. Jhdt Versuche zur „Rückzüchtung“ durch Einkreuzung spanischer Kampfstiere, Ungarischer Steppenrinder, Schottischer Hochlandrinder etc. Als phänotypisches Leitbild galten Höhlenzeichnungen und mittelalterliche Abbildungen („Augsburger Ur“, 1525). 

Wenn es auch gelungen ist, solche „Heck-Rinder“ mit zahlreichen Merkmalen des originalen Auerochsen auszustatten (z. B. Fellfärbung, Aalstrich, Mehlmaul, Hornform), so blieben die „Rückzüchtungs“-Tiere doch deutlich kleiner als die Wildform, deren Stiere eine Widerristhöhe von 200cm und bis zu 1.500kg Lebendgewicht erreichen konnten (Lengerken 1953, Hofmann et al. 1998). – Neuere Versuche, anspruchslose Robustrinder zu züchten, die sich speziell für extensive Weideprojekte eignen, erbrachten mit dem „Taurus“-Rind eine deutlich bessere Annäherung an den Auerochsen-Typus (ABU-Naturschutz 2025).

Heckrinder in den Lippe-Auen / Deutschland, 17.10.2004 (© E. Kraus)

Die originale Wildform des Auerochsen ist in Mitteleuropa bereits im 13. Jhdt. ausgestorben (letzte Nachweise aus Moldawien im 17. Jhdt.; Nemeth et al. 2016), weshalb die züchterischen Bemühungen um Heck- bzw. Taurus-Rinder nicht als Artensicherungs-Maßnahme verstanden werden sollen. Wohl aber erlangten diese robusten Rinder in den letzten 25 Jahren vermehrte Aufmerksamkeit des Naturschutzes, schienen sie doch prädestiniert zur Landschafts- und Biotopgestaltung durch Beweidung. Heute gibt es in Mitteleuropa viel beachtete Projekte mit „Wilden Weiden“, bei denen Heck- und/oder Taurusrinder auch mit Pferden, Hirschen oder Wildschweinen vergesellschaftet werden (Reisinger 2004). In jedem Fall kann durch Einsatz solch urtümlich wirkender Robustrinder eine anschauliche Rekonstruktion der Wechselwirkungen zwischen großen Weidetieren und Vegetation initiiert werden, wie sie unsere Landschaftsentwicklung ja über Jahrtausende geprägt haben (Schoof et al. 2018, Haft 2023).

Waldpferd (Equus ferus)

In den eiszeitlichen Steppenlandschaften Europas waren Wildpferde weit verbreitet. Fossilfunde aus Höhlen des unteren Waldviertels belegen das Vorkommen von primitiven Pferden aus der Mittleren Altsteinzeit (Döppes 1997). Mit der nacheiszeitlichen Wiederbewaldung schrumpfte aber das Areal für einen waldmeidenden Steppenbewohner erheblich, so dass ein Großteil der Wildpferde in die osteuropäischen Steppengebiete am Schwarzen Meer abgedrängt wurde. 

(Steppen-Tarpan, Equus ferus gmelini); zurückgebliebene Pferde dürften sich als mitteleuropäisches Waldpferd abgespalten haben (Wald-Tarpan, Equus ferus silvaticus). Doch ist auch dieser Wildpferd-Typ längstens im Jungpaläolithikum verschwunden (möglicherweise durch Überbejagung; Spitzenberger & Bauer 2001). Im Zuge der nachhaltigen Rodungstätigkeit der frühen Ackerbauern konnten Wildpferde in die anthropogen geschaffenen Offenlandschaften – quasi als „Kulturfolger“ – zum Teil wieder einwandern (Sommer et al. 2011). Doch spätestens zur Wende von der Kupfer- zur Bronzezeit wurden die Wildpferde zur Gänze durch domestizierte Hauspferde ersetzt (Nemeth et al. 2016). 

Als primitive Pferderasse, die noch deutliche Merkmale eines Wildpferde-Typs erkennen lässt (z. B. Zebra-Streifung an den Beinen, dunkler Aalstrich), hat sich in Osteuropa das sogenannte „Konik“ (= polnisch Pferdchen) bis heute erhalten. Dieses ist hochgradig anspruchslos an Nahrung oder Geländestruktur. Koniks haben sich für die Beweidung von Heiden, Sandsteppen, Feuchtgebieten (mit Schilf, Weidengebüsch, Brennnesseln) und artenreichen Bachwiesen als besonders geeignet erwiesen. Da ihre ökologische Einpassung dem Wildpferde-Typus sehr nahekommen dürfte, werden die seit jeher extensiv gehaltenen Koniks heute als geeigneter „Ersatz“ für das verloren gegangene Equus ferus eingesetzt, und in z. T. großen Herden gehalten (vgl. Vera 2000).

Freilebende Pferde im Donau-Delta vom Typ eines Konikpferdes, 11.05.2018 (© E. Kraus)

Als ursprüngliche Steppenbewohner sind (Wild-)Pferde typische grazer, sie können sich im Winter aber auch von verholztem und abgestorbenem Pflanzenmaterial ernähren (z. B. Schilf, Brennnesseln, Himbeersträucher). Bei Nahrungsknappheit graben die Pferde sogar nach

Graswurzeln, vor allem verbeißen und schälen sie Sträucher und Jungbäume sehr effektiv. Bei sehr energie- bzw. eiweißreicher Pflanzenmasse können Hufkrankheiten auftreten („Hufrehe“). Im Gegensatz zu Wiederkäuern können Pferde durch Aufnahme von Giftpflanzen geschädigt werden (Bunzel-Drüke 2004). Pferde legen mitunter „Latrinen“ an, so dass sich große Kothaufen bilden.

Die relativ leichten Pferde sind sehr agil, wendig und bewegungsfreudig. Koniks halten sich gerne am Wasser auf, queren auch Bäche und Flüsse. Für ihr Komfortverhalten nutzen sie Sandstellen (Wälzplatz) und Kiesflächen (Ruheplatz). Auf harten, kiesigen Böden werden ihre Hufe ausreichend abgenutzt. 

Ein ähnliches Schicksal wie beim Europäischen Wildpferd gilt auch für den Europäischen Wildesel (Equus hemionus), der im Atlantikum sowohl im Donauraum als auch in Offenlandschaften der Böhmischen Masse vorkam, als ausgeprägter Steppenbewohner mit der Ausbreitung der Wälder aber in die mehr oder minder waldfreien Landschaften des Pannonikums abgedrängt wurde. Letzte Nachweise aus dem Karpatenbecken stammen aus dem Beginn der Bronzezeit (Nemeth et al. 2016). Die Haltung von Eseln wäre in der heutigen Landschaft nur noch auf Sonderstandorten mit schottrigem Untergrund bzw. Hartböden vorstellbar, weshalb sie sich für das Beweidungsprojekt im Waldviertel kaum eignen. 

Elchkuh im Tier-Freigelände Nationalpark Bayerischer Wald, 12.09.2015 (© E. Kraus)

Elch (Alces alces)

Nach Aussterben des Riesenhirsches (Megalocerus giganteus) verblieb der Elch als größte Hirschart, mit weiträumiger Verbreitung im nacheiszeitlichen Holozän. Fossilfunde belegen sein Vorkommen im Böhmerwald, im Alpenvorland und den nördlichen Kalkalpen (Funde aus Schachthöhen selbst über der Waldgrenze), z. T. bis ins 10. Jhdt. (Spitzenberger & Bauer 2001). Der Elch kam im Kamptal noch bis ins 1. Jahrtausend n. Chr. vor (Knochenfunde aus Gars/Kamp, in Kanelutti 1990).

Dass sich auch heutige Waldlandschaften des Mühl- und Waldviertels durchaus als Elch-Lebensraum eignen, beweisen die sporadischen Zuwanderer aus Polen bzw. Tschechien nach Österreich seit Mitte des 20. Jhdt. (z. B. Presse Sept. 2025). 

Als „Konzentrat-Selektierer“ sind Elche besonders anspruchsvoll an die Qualität pflanzlicher Nahrung, weshalb sie in meist nur geringer Dichte vorkommen und bei Übernutzung eines Standortes z. T. weite Wanderungen unternehmen (Siedlungsdichte im Mittel bei 10-15 Individuen je 100 km2; Spitzenberger & Bauer 2001). Der hohe Anspruch kann in erster Linie durch junge Kräuter (auch Wasserpflanzen), Hochstauden, Jungpflanzen von Waldbäumen (z. B. Eiche, Kiefer, Tanne), meist durch Laub und Zweige von Weiden-, Erlen- und Birkengewächsen gedeckt werden. Diese Ressourcen sind im angesprochenen Planungsraum aktuell gegeben. Dank der Etablierung effektiver Biberreviere können Elche im Gebiet auch von der „Gärtnerwirtschaft“ des Bibers profitieren. Beide Arten wirken synergistisch als Schlüsselarten einer Teich- und Flusslandschaft.

Eine Beteiligung dieser imposanten Hirschart an der geplanten Huftier-Gesellschaft wäre trotz der sehr anspruchsvollen Habitatwahl und den z. T. massiven Eingriffen in den Baumbestand (Verbiss bis zu Totalnutzung von Jungbäumen, massives Schälen selbst starker Laubbäume) für das Beweidungsprojekt hochgradig attraktiv.

Rothirsch und Wildschwein sind in den Landschaften am Kamp in z. T. hoher Dichte präsent. Diese Wildarten unterliegen aktuell sowohl in den Uferwäldern am Kamp als auch im Truppenübungsgebiet Allentsteig einem jagdlichen Management (Gaugusch 2025). Ihre Bestände sind in das Multi-Spezies Beweidungsprojekt jedenfalls in effektivem Maße zu integrieren. 

Die Präsenz von Rothirschen gemeinsam mit semi-wild lebenden Wisenten, „Auerochsen“ und Konik-Pferden vor der ansprechenden Kulisse der naturnahen Landschaften am Kamp, kann neben der anspruchsvollen Zielsetzung eines Prozessschutzes „so natürlich wie möglich“ auch ein einzigartiges Naturerlebnis einer „Neuen Wildnis“ bieten und sich zweifelsohne zu einem nennenswerten Zugewinn im Tourismusangebot der Region entwickeln.

Biber (Castor fiber)

Der Biber ist eine Schlüsselart für die großflächige Umgestaltung von Feuchtgebieten, von der zahlreiche andere Arten profitieren. Aktuell sind nahezu alle Kamp-Zubringer vom Biber besiedelt, lediglich die großen Stauseen eignen sich aufgrund der erheblichen Wasserstandsschwankungen weniger dafür. Besonders am TÜPL, wo offensichtlich eine höhere Toleranz gegenüber Biber-Aktivitäten besteht, sind zahlreiche Biber-Staue entstanden. Sie vermitteln einen Eindruck von der Leistungsfähigkeit des Bibers hinsichtlich Landschaftsveränderungen und dynamischen Prozessen im Gewässerbereich.

Das Zulassen von Biberteichen steigert die Vielfalt an Kleingewässern enorm (© E. Kraus)

Biberteich im TÜPL Allentsteig (© E. Kraus)
 

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Goldschakal

Positionspapier Goldschakal (Canis aureus)

Fakten zum Goldschakal in Österreich

(Stand: Dezember 2024)
AG-Wildtiere 

Hier die aktuelle Version zu unserem Positionspapier Goldschakal als PDF.

Kurzfassung:

  • Ausbreitung und Vorkommen in Österreich: Von Ost- und Südeuropa breiten sich Goldschakale aktuell nach West- und Nordeuropa aus. Goldschakale wurden nicht ausgesetzt, sie wandern ein und sind mittlerweile Bestandteil auch der mitteleuropäischen Fauna. Bisher gab es in allen Bundesländern (außer in Vorarlberg) bereits Sichtungen und Totfunde von Goldschakalen. Für das Burgenland, die Steiermark, Niederösterreich, Tirol, Salzburg sowie Kärnten wurde Reproduktion bestätigt.
  • Schutzstatus: Der Goldschakal steht im Anhang V der Fauna-Flora-Habitat-Richtline (FFH-RL), darf daher nach Erreichen eines „günstigen Erhaltungszustandes“ bejagt werden (Rathmayer 2023). In Österreich ist dies noch nicht der Fall, bzw. erlaubt es die unzureichende Datenlage nicht, dies zu beurteilen. In den meisten Bundesländern ist die Art in den jeweiligen Jagdgesetzen gelistet und wird trotz unklarem Erhaltungszustand mit oder ohne Schonzeit bejagt. In Niederösterreich fällt der Goldschakal unter das Naturschutzgesetz, wird aber dennoch widerrechtlich (als „Raubzeug“) abgeschossen.
  • Ökologie: Goldschakale sind überwiegend nacht- und dämmerungs-, in ungestörten Lebensräumen auch tagaktiv (z.B. Balkan, Donau-Delta). Sie sind bezüglich der Habitatwahl flexibel, bevorzugen aber gute Deckung. Als Nahrungsopportunisten nehmen sie vor allem Kleinsäuger, aber auch Amphibien, Insekten und Pflanzliches, nutzen Aufbruch (Innereien von erlegtem Wild) oder Aas. Gelegentlich erbeuten sie auch mittelgroße Säugetiere, z.B. Rehe, junge Schafe oder Ziegen. Partner bleiben ein Leben lang zusammen. Paarungszeit ist Jänner und Februar, meist werden vier bis fünf Junge geboren. 
  • Forschung, Monitoring, Management: Seit Oktober 2015 läuft am Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft (IWJ) der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) ein Projekt zur Erhebung des Goldschakal-Vorkommens in Österreich (https://www.goldschakal.at/), mit dem wichtigen Ziel, Monitoring-Standards für die Beobachtung der weiteren Ausbreitung in Österreich und Europa zu erarbeiten. Es gibt noch keinen österreichweiten Managementplan, jedoch vorgeschlagene Kriterien zur Beurteilung von Hinweisen (Hatlauf & Böcker 2021).

Goldschakal-Fakten im Detail

1. Ausbreitung und Bestand in Österreich

Bei den afrikanischen und eurasischen „Goldschakalen“ handelt es sich um zwei unterschiedliche Arten (Rutkowski et al. 2015). Der afrikanische „Goldschakal“ wurde sogar als Afrikanischer Grauwolf (Canis lupaster) erkannt (Krofel et al. 2021, Hatlauf et al. 2021a). Demnach reicht die aktuelle Verbreitung des (eurasischen) Goldschakals (Canis aureus) von Asien bis nach Zentral- und sogar Nordeuropa (Spassov & Acosta-Pankov 2019). Im Westen bis Frankreich, im Norden bis Norwegen. 

Der Goldschakal galt bis zu seinem Erstnachweis in Österreich nicht als heimisch. Es folgten nach der ersten Beobachtung im Jahr 1987 in Tobisegg in der Steiermark weitere Sichtungen und 2007 der erste Nachwuchs im Nationalpark „Neusiedler See-Seewinkel“. Etwa zehn Jahre danach wurde ein Rudel mittels bioakustischer Methode im Burgenland bestätigt (Hatlauf & Hackländer 2016), weitere Bestätigungen folgten für die Steiermark und Niederösterreich. In Kärnten wurde 2017 eine Gruppe fotografiert und mittlerweile weitere Individuen dokumentiert (Abbildung 1). Für Oberösterreich gab es bislang nur wenige Einzelhinweise. In Tirol belegten Fotofallen 2022 für drei Gebiete die Anwesenheit von Goldschakalen, einige Risse wurden ihnen zugeordnet. In Salzburg wurden 2022 für drei Gebiete Fotonachweise erbracht. Beim „Goldschakalprojekt“ (https://www.goldschakal.at/) langten 2022 177 Hinweise ein, davon waren 65 falsch, 37 gesichert richtig, 41 wurden als möglich bis wahrscheinlich eingestuft. 2023 langten bis November bereits 307 Hinweise ein. Davon waren 161 eindeutig falsch, 55 sicher richtig, 91 möglich bis wahrscheinlich. 

Die aktuelle Entwicklung des Vorkommens des Goldschakals in Österreich verläuft also sehr dynamisch, sein rechtlicher Status bleibt in Fluss. Entscheidend für mögliche Änderungen innerhalb des gesetzlichen Rahmens der FFH-Richtlinie sind das Wissen über den günstigen Erhaltungszustand und das dauerhafte Monitoring (vgl. Hatlauf et al. 2021a). In Österreich gibt es hier dringenden Bedarf, die gesetzlichen Regelungen entsprechend der FFH-Richtlinie anzupassen. Demnach muss es etwa Goldschakalen in neuen Regionen jedenfalls gewährt sein, sich anzusiedeln und einen lebensfähigen Bestand aufzubauen. In der Steiermark gab es ein von der Jägerschaft eigenständig geplantes Monitoring, im restlichen Land werden opportun und passiv Nachweise (etwa durch erlegte Tiere) dokumentiert.

2. Schutzstatus

Der Goldschakal wird in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) in Anhang V gelistet, darf demnach jagdlich genutzt werden, sofern ein „günstiger Erhaltungszustand“ vorliegt oder dadurch nicht verhindert wird. Der Erhaltungszustand ist gemäß FFH-RL durch ein Monitoring zu belegen. In Österreich wird der Goldschakal mangels Bundeskompetenz in Jagd- und Naturschutz-angelegenheiten rechtlich in jedem Bundesland anders behandelt. Er ist im Burgenland, in Oberösterreich, in der Steiermark, in Salzburg und in Kärnten von Oktober bis Mitte März bejagbar und in Tirol sogar ganzjährig (ohne Schonzeit). Nur noch in Vorarlberg und Wien ist der Goldschakal wirksam geschützt.

Sonderfall Niederösterreich: Dort wurde der Goldschakal weder explizit dem Jagd- noch dem Naturschutzrecht zugeordnet. Daraus folgt, dass er zwar nicht unter besonderem Schutz steht, aber dennoch unter die allgemeinen Artenschutzbestimmungen des NÖ Naturschutzgesetzes fällt. Im Gegensatz dazu behauptet der NÖ Landesjagdverband öffentlich, der Goldschakal falle unter den jagdrechtlichen Begriff „Raubzeug“ und sei dadurch ganzjährig jagdbar. Eine Klärung, zum Beispiel durch Aufnahme des Goldschakals in die NÖ Artenschutzverordnung durch die NÖ Naturschutzabteilung oder in die NÖ Jagdverordnung (mit Schonzeit) durch die NÖ Agrarrechtsabteilung würde zwar den EU-rechtlichen Vorgaben entsprechen, doch sind beide Abteilungen derzeit dazu offenbar nicht bereit.

Ein gravierendes Beispiel für jagdliche Willkür lieferte man auch in Salzburg Ende 2024: Weil es nach Mitteilung des Landesjagdverbands (Medienauftritte Maximilian Mayr-Melnhof) im Lungau bereits 100 Goldschakale geben soll (mittels welcher Methoden das festgestellt wurde, bleibt unklar), wurden bis Dezember mindestens 12 abgeschossen.

In seinem Rechtsgutachten zur Stellung des Goldschakals in Österreich schlussfolgert Florian Rathmayer (2023): „Als von Anhang V der FFH-Richtlinie erfasste Art genießt der Goldschakal nur einen eingeschränkten Schutz. Nationale Regelungen, die seine Bejagung erlauben, sind nicht per se ausgeschlossen. Allerdings muss ein günstiger Erhaltungszustand gewahrt oder nötigenfalls wiederhergestellt werden. Auskunft darüber, ob diese Maßgabe eingehalten wird, vermag nur ein den Vorgaben des Art 11 FFH-Richtlinie genügendes Monitoring zu geben (was für Österreich dzt. nicht der Fall ist). Liegen für den Goldschakal keine hinreichenden Überwachungsergebnisse vor, so sind sowohl Bestimmungen, die seine Entnahme ganzjährig oder zeitweise erlauben, als auch eine Einordnung unter den nicht weiter differenzierenden Begriff des „Raubzeugs“ als unionsrechtswidrig einzustufen.“

3. Ökologie, Nahrungswahl 

Goldschakale sind sehr scheue Tiere und versuchen eine direkte Begegnung mit Menschen zu vermeiden. Sie werden Menschen nicht gefährlich. Sie können Nutztiere, wie etwa junge Schafe oder Ziegen reißen, was für Österreich erstmals 2020 dokumentiert wurde. Generell erbeuten Goldschakale bevorzugt Kleinsäuger und suchen zumeist im Alleingang nach Nahrung, gehen aber auch im kleinen Familienverband auf die Jagd. Dieser besteht aus den beiden Elterntieren und dem jeweiligen Nachwuchs, bis dieser sich ein Jahr später selber auf Partnersuche begibt. Die kooperative Jagd ist beim europäischen Goldschakal wenig erforscht, doch es wurde schon beschrieben, dass etwa ein Goldschakal die Wildschwein-Bache ablenkt und andere Rudelmitglieder einen Frischling erbeuten können. 

Goldschakale sind Nahrungsgeneralisten und -opportunisten, die sich an die verfügbaren Ressourcen anpassen können (Hatlauf & Lanszki 2024). Demnach stehen oft kleine bis mittelgroße Säugetiere auf dem Speiseplan. Ebenso ernähren sich Goldschakale von Amphibien, Insekten, Fischen und Pflanzen (wie z.B. Obst). Eine aktuelle Studie aus Bulgarien ergab, dass sich der Goldschakal häufig von Abfällen (speziell z.B. Tierkörper) ernährt – im Flachland von Schlachtabfällen und in höheren Lagen von Schalenwildresten (z.B. Aufbruch). Je nach Saison nimmt er auch pflanzliche Nahrung zu sich. In Untersuchungen von Mageninhalten fand man in manchen Fällen über 90% Mais, Wildbeeren oder auch Weintrauben. In stark bejagten Gebieten nutzt der Goldschakal als Hauptnahrungsquelle zurückgelassenen Aufbruch (Lanszki & Heltai 2010; Lanszki et al. 2018). 

4. Koexistenz mit anderen Arten

Goldschakale kommen in vielen Gebieten gemeinsam mit anderen (Groß-)Beutegreifern vor, so wurden auch in Österreich bereits Wolf, Fuchs und Goldschakal im selben Areal mit Fotofallen erfasst (Abbildung 2; Suss und Hatlauf 2024). Auch können sie Nachnutzer der Beute von Wölfen oder anderen großen Beutegreifern sein und sie parasitieren an von Luchsen erlegten Rehen. In Gebieten mit hoher Fuchsdichte wurde anhand von Jagdstatistiken ein Rückgang der erlegten Füchse festgestellt – Füchse meiden also (zumindest dicht) von Goldschakalen besiedelte Areale, sie kommen aber durchaus gemeinsam vor. Wiederum kann der Wolf als ein Hauptkonkurrent gesehen werden und der doch deutlich kleinere Goldschakal meidet Kerngebiete von Wolfsrudeln, wo für ihn Lebensgefahr besteht. Es wurden bereits von Wölfen getötete (aber nicht gefressene) Goldschakale gefunden. Ob man einander innerhalb der Gilde „kontrolliert“, also die kleineren Arten die größeren meiden bzw. die größeren Arten die kleineren töten, scheint von Nahrungsangebot, Habitatqualität und Jahreszeit abzuhängen (Wilkenros et al. 2017, Pasanen‐Mortensen et al. 2017). Eine erstaunliche Beobachtung wurde in Deutschland gemacht – ein Goldschakalrüde schloss sich einer Fuchsfähe an und half sogar, ihren Nachwuchs großzuziehen (Böcker et al. 2024).

Abbildung 2: Rotfuchs (links), Goldschakal (mittig) und Wolf (rechts) am selben Standort einer Fotofalle.

5. Forschung und Monitoring

Da noch vieles über den Goldschakal unbekannt ist, läuft seit Oktober 2015 das „Goldschakalprojekt in Österreich“ (www.goldschakal.at). Ein Ziel ist etwa die Etablierung von Monitoring-Standards als Grundlage für die Beobachtung einer künftigen Ausbreitung. Hierbei wird eng mit internationalen Kollegen*innen zusammengearbeitet. Forschungsschwerpunkte sind: Untersuchungen des Sexualdimorphismus (Hatlauf et al 2021a), Verhalten beim Fressen, Integration passiver akustischer Geräte (Graf & Hatlauf 2021), Aktivitätszyklus anhand von Kamerafallenbildern, rechtlicher Status innerhalb der EU (Hatlauf et al. 2021b), die Suche nach Losung mit Spürhunden (Hatlauf et al. 2020), Besenderung, um Wanderrouten zu erforschen (Vet Magazin, Oktober 2024), etc. 

Zur wissenschaftlichen Dokumentation und Aufarbeitung sollen bitte alle Informationen an das „Goldschakalprojekt“ Österreich gemeldet werden (https://www.goldschakal.at/), wo das Vorkommen für Österreich dargestellt (soweit dies durch die ggw. überwiegend opportunistische und passive Datensammlung möglich ist) und auch im internationalen Kontext präsentiert wird (z.B. der LCIE, der Large Carnivore Initiative Europe). Der tatsächliche Bestand in Österreich sollte landesweit nach einheitlichen Standards erhoben und auch über die Jahre beobachtet, und alle bei der Landesregierung, Bezirksbehörden oder der Jägerschaft einlangenden Hinweise nach Hatlauf und Böcker (2021) bewertet werden. Dazu sollte jeder Abschuss mit einem Foto, einer genetischen Probe und den Koordinaten des Abschussortes belegbar gemacht werden. Idealerweise wird der Kern an das Goldschakalprojekt gesendet bzw. kümmert sich das Projekt um die Abholung, damit entsprechende weitere Untersuchungen zu Krankheiten und Nahrungswahl gemacht werden können.

6. Ausblick

Die zentrale Sammlung und Dokumentation von Hinweisen ist entscheidend, um die aktuelle Ausbreitung im europäischen Kontext wissenschaftlich zu erfassen und Zusammenhänge zu verstehen. Zu einem wissenschaftlichen Monitoring hat sich Österreich im Rahmen der FFH-Richtlinie verpflichtet (nicht nur beim Goldschakal), führt ein solches jedoch nur unzureichend durch. 

Für eine umfassende Dokumentation ist sowohl die Kooperation zwischen den Bundesländern und den Interessensgruppen als auch der Austausch mit den Nachbarländern wichtig. Die Zukunft liegt im intensiven und offenen fachlichen Austausch, vor allem auch um einen rechtskonformen Umgang mit dieser „neuen“ Art etablieren zu können. Dieser ist im Moment mehrfach nicht gegeben. Bei Sichtungen und Verdachtsmeldungen bitte die Anlaufstelle des Goldschakalprojekts kontaktieren (www.goldschakal.at).

Ausgewählte Literatur, Links 

Böcker F., Weber H., Arnold J., Collet S., Hatlauf J. (2023) Interspecific social interaction between golden jackal (Canis aureus) and red fox (Vulpes vulpes) Mamm Res (2024) https://doi.org/10.1007/s13364-024-00737-2

Graf L., Hatlauf J. (2021) Distance estimation of howling golden jackals (Canis aureus) using relative sound level. Mamm Res 66: 567-572, https://doi.org/10.1007/s13364-021-00587-2

Hatlauf J., Hackländer K. (2016) Preliminary results for golden jackal (Canis aureus) survey in Austria. Beiträge zur Jagd- und Wildforschung 41. Gesellschaft für Wildtier- und Jagdforschung e.V. (GWJF), Melsungen, 295-306 

Hatlauf J., Böcker F., Wirk L., Collet S., Schley L., Szabó L., Hackländer K., Heltai M. (2020) Jackal in hide: detection dogs show first success in the quest for golden jackal (Canis aureus) scats. Mamm Res 66: 227–236. https://doi.org/10.1007/s13364-020-00537-4 

Hatlauf J., Krendl L., Tintner J., Griesberger P., Heltai M., Markov G., Virant, S., & Hackländer K. (2021a) The canine counts! Significance of a craniodental measure to describe sexual dimorphism of canids – Golden jackals (Canis aureus) and African wolves (Canis lupaster). Mamm Biol 101: 871-879 https://doi.org/10.1007/s42991-021-00133-2

Hatlauf J., Bayer K., Trouwborst A., Hackländer K. (2021b) New rules or old concepts? The golden jackal (Canis aureus) and its legal status in Central Europe. Eur J Wildl Res 67(25): https://doi.org/10.1007/s10344-020-01454-2 

Hatlauf, J., & Lanszki, J. (2024). First dietary assessment of a generalist mesocarnivore, the golden jackal (Canis aureus) in Austria. Mammalian Biology, 1-5.

Krofel M., Hatlauf J., Bogdanowicz W., Campbell L.A.D., Godinho R., Jhala Y.V., Kitchener A.C., Koepfli K.P., Moehlman P., Senn H., Sillero-Zubiri C., Viranta S., Werhahn G., Alvares F. (2021) Towards resolving taxonomic uncertainties in wolf, dog and jackal lineages of Africa, Eurasia and Australasia. J Zool 316: 155-168. https://doi.org/10.1111/jzo.12946

Lanszki J., Hayward M. W. and Nagyapáti N. (2018) Feeding responses of the golden jackal after reduction of anthropogenic food subsidies, PLoS ONE, 13(12). doi: 10.1371/journal.pone.0208727. 

Lanszki J., Heltai M. (2010) Food preferences of golden jackals and sympatric red foxes in European temperate climate agricultural area (Hungary), Mammalia, 74, pp. 67– 273. doi: 10.1515/MAMM.2010.005. 

Pasanen‐Mortensen, M., Elmhagen, B., Lindén, H., Bergström, R., Wallgren, M., van der Velde, Y., & Cousins, S. A. (2017) The changing contribution of top‐down and bottom‐up limitation of mesopredators during 220 years of land use and climate change. Journal of Animal Ecology, 86(3), 566-576.

Rathmayer, F. (2023) Kurzgutachten zur rechtlichen Stellung des Goldschakals (in Österreich). Im Auftrag der Forschungsgemeinschaft LANIUS.

Rutkowski R., Krofel M., Giannatos G., Ćirović D., Männil P., Volokh A. et al. (2015) A European concern? Genetic structure and expansion of golden jackals (Canis aureus) in Europe and the Caucasus. PLoS ONE 10(11): e0141236. 

Suss L, Hatlauf L (2024) Focus on carnivore communities: photo traps and data analysis in biodiversity research. Acta Zoobot 

Spassov N., Acosta-Pankov I. (2019) Dispersal history of the golden jackal (Canis aureus moreoticus Geoffroy, 1835) in Europe and possible causes of its recent population explosion, Biodiversity Data Journal. doi: 10.3897/BDJ.7.e34825. 

Wikenros, C., Aronsson, M., Liberg, O., Jarnemo, A., Hansson, J., Wallgren, M., … & Bergström, R. (2017) Fear or food–abundance of red fox in relation to occurrence of lynx and wolf. Scientific reports, 7(1), 9059.

Verbreitung und Status der Großen Beutegreifer, einschließlich Goldschakal in Europa: https://lciepub.nina.no/pdf/638672209981921829_2024_11_14_Large_Carnivore_range%20and%20population%20estimate%20update%202017-2022_1.2.pdf#

Zum Goldschakal in der Steiermark: https://www.5min.at/5202411151231/goldschakal-familie-in-der-steiermark-gesichtet-ueber-100-nachweise/

Seeadler

Positionspapier Seeadler

Fakten zum Seeadler: Die aktuelle Lage in Österreich

(Stand: Februar 2022)
Hans Frey

Hier die aktuelle Version zu unserem Positionspapier Positionspapier Seeadler als PDF.

KURZFASSUNG

  • Zu Beginn des Jahrtausends galt der Seeadler in Österreich noch als ausgestorben, seit 2001 brütet er wieder durchgehend in Österreich
  • Österreich weist derzeit einen Bestand von ca. 60 Brutpaaren auf 
  • Die wichtigsten Brutgebiete sind das Waldviertel, die Donau-Auen und die March-Thaya-Auen
  • Hauptbedrohungsfaktor ist die illegale Verfolgung, dahinter folgen Kollisionen mit Windkraftanlagen und Fahrzeugen. Aber auch Störungen des Brutgeschehens u.a. durch forstliche Aktivitäten stellen eine Gefahr dar. 
  • Nicht zu vernachlässigen ist in Österreich auch der hohe Flächenverbrauch, der zum Verlust von Brut- und Jagdgebieten führt.
  • Es ist davon auszugehen, dass auch Sekundärvergiftungen durch Bleimunition, Pestizide und Biozide ein bedeutender Bedrohungsfaktor sind. Genaue Untersuchungen zu den Auswirkungen dieser Sekundärvergiftungen fehlen jedoch in Österreich.
  • Intakte und ruhige Naturlandschaften, bei uns überwiegend naturnahe Kulturlandschaften wie Flussauen und Fischteiche, bieten die besten Voraussetzung für den Seeadler.
  • Die Rückkehr des Seeadlers ist eine Erfolgsgeschichte im Naturschutz. Sie wurde durch länderübergreifende Schutzmaßnahmen und viel Engagement möglich. 
  • Es erfolgte keine Bestandsstützung in Form nachgezüchteter freigelassener Seeadler. Die Rückkehr dieses imposanten Greifvogels ist auf natürliche Weise aus den Brutgebieten in den Nachbarländern erfolgt

SEEADLER-FAKTEN IM DETAIL

1. Ausrottung und Wiederkehr:

Der Seeadler war einst ein Charaktervogel der europäischen Meeresküsten, aber auch der großen Flüsse, Seen und Feuchtgebiete im Binnenland. Der Niedergang der Seeadlerbestände in Europa begann im 18. Jahrhundert, das von einem Wertewandel geprägt war. Waren Greifvögel früher wertvolle Jagdkumpanen (Falknerei), so wurden sie mehr und mehr als Nahrungskonkurrenten angesehen (1). Mit den immer besser werdenden Waffen konnte man selbst besser jagen, aber auch Greifvögel stärker verfolgen (2). Der beispiellose Vernichtungsfeldzug gegen Greifvögel sorgte bereits Ende des 19. Jahrhunderts, spätestens aber in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dafür, dass der Seeadler in zahlreichen Regionen Europas, so auch in Österreich (heutige Staatsgrenzen) beinahe ausgerottet war. In Österreich wurde die letzte Brut Mitte der 1950er Jahre nachgewiesen (2, 3). Zwar kam es zunächst durch die allgemeine Abnahme von Greifvögeln und die Kriegswirren des 2. Weltkrieges zu verminderten Abschusszahlen und zu einer Erholung der Greifvogelbestände, dennoch ließen in den 60er Jahren Abschuss, Fallenfang und die Auswirkungen des Pestizids DDT, das Unfruchtbarkeit bzw. dünnschalige, zerbrechende Eier verursacht (4)) und Lebensraumzerstörung (Entwässerungen etc.) die Bestände in Europa endgültig zusammenbrechen (3). Dank intensiver Schutzmaßnahmen ist es jedoch gelungen, zunächst bei den kleinen Seeadler-Beständen in Nord- und Osteuropa den Rückgang zu stoppen und ein Wachstum der Bestände zu bewirken. DDT wurde in Europa verboten, Maßnahmen gegen die Bejagung, den Fallenfang und zum Schutz von Lebensräumen wurden ergriffen. Das führte dazu, dass in Österreich die Seeadler-Sichtungen deutlich zunahmen. Im Frühjahr 1999 kommt es in den Marchauen zum ersten, nicht erfolgreichen Brutversuch. 2001 wurde dann aber nahe Marchegg nach mehr als 40 Jahren der erste Jungvogel Österreichs erfolgreich aufgezogen (3 , 5, 6).

2. Aktuelle Bestandszahlen und Verbreitung (3):

Mittlerweile ist in Österreich die Zahl der Seeadler-Brutpaare auf etwa 60 Paare (Stand 2023) angewachsen (https://www.wwf.at/wwf-erfolgreiche-seeadler-brutsaison-50-jungvoegel-ausgeflogen/). Der Seeadler meidet die ausgedehnten österreichischen Berggebiete weitgehend und ist vor allem in den außeralpinen Bereichen Niederösterreichs, Oberösterreichs und der Steiermark sowie im Burgenland als Brutvogel anzutreffen. Der Seeadler ist vor allem an größeren Gewässern im Tiefland zuhause. Dort findet er mit Fischen und Wasservögeln seine bevorzugte Beute und oft auch geeignete Brutplätze vor. In Österreich lebt der Seeadler in Auwäldern entlang der March, Thaya und Donau, teilweise im Offenland, wie etwa im Weinviertel, in der Gegend um den Neusiedler See, den Teichlandschaften des Waldviertels sowie des Burgenlandes und der Oststeiermark. Als Schwerpunkte des Brutvorkommens stechen die Donau-Auen, die March-Thaya-Auen sowie das Waldviertel hervor, wo zusammen rund zwei Drittel der auf Bundesgebiet bekannten Seeadlerhorste liegen. So unterschiedlich diese Lebensräume erscheinen, so ähnlich sind sich hingegen einige Kernparameter. In allen Fällen benötigen Seeadler einen ausreichenden Zugang zu Nahrungsquellen und Brutgehölzen und nicht zuletzt eine relativ geringe Siedlungsdichte des Menschen und damit auch ein eingeschränktes Maß an Störungen. Neben den Brutpaaren halten sich in Österreich auch immature Vögel, nichtbrütende Adler und vor allem im Winter auch Gäste aus Nord- bzw. Osteuropa auf. 

Der Seeadler befindet sich aktuell in einer Phase des Populationswachstums, welche mit einer Ausbreitung der Art in Gebiete einhergeht, in denen sie ausgestorben war. Diese positive Populationsentwicklung ist das Ergebnis eines jahrzehntelangen, mittlerweile fast ein Jahrhundert andauernden erfolgreichen Artenschutzes (7).

3. Nahrung:

Seeadler sind ausgesprochen vielfältige Jäger. Mebs & Schmidt (2014) (8) schreiben, das Beutespektrum des Nahrungsopportunisten umfasse zahlreiche Fisch-, Vogel- und Säugetierarten und weise regionale wie jahreszeitliche Unterschiede auf. Die Beute wird nicht nur selbstständig erjagt, sondern auch regelmäßig als Aas angenommen. Seeadler können mit Fischen, die zu schwer sind, um sie aus dem Wasser zu heben, ans Land schwimmen. Die Flügel werden dabei als Paddel eingesetzt. Die Nahrung wird hauptsächlich aus dem Ansitz bzw. im Suchflug gefunden bzw. erbeutet, vereinzelt kommen spektakuläre Sturzflugjagden vor. Das Schmarotzen bei anderen Vogelarten, sogenannter Kleptoparasitismus etwa bei Kormoranen, wurde auch in Österreich mehrfach beobachtet (3). 

4. Brutzeit: 

In Österreich erfolgt die Eiablage meist um Mitte Februar, wobei Laubbäume zu dieser Zeit noch völlig blattfrei sind. Es werden ein bis drei, in der Regel zwei Eier gelegt. Seeadler brüten rund 38 bis 40 Tage, auch die Männchen sind an der Brut beteiligt (3). Die Jungadler bleiben 74–89 Tage im Horst (9), sodass sie in Mitteleuropa zumeist im Juni ausfliegen. Bei sehr frühen Bruten konnte im WWF Seeadlerprojekt vereinzelt ein Verlassen der Horste Ende Mai belegt werden, ein spätes Ausfliegen in der ersten Julihälfte kommt besonders in den klimatisch ungünstigeren Hochlagen des Waldviertels vor (3).

5. Aussehen und Körpermaße:

Seeadler sind die größten Adler, die in Europa vorkommen. Ihre Flügelspannweite kann bis zu 2,3 Meter betragen. Die Körperlänge des Seeadlers beträgt von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze 77-95cm und das Gewicht zwischen 4,1 und 6,9kg. Wie bei den meisten Greifvögeln sind die Weibchen schwerer als die Männchen, welche für die Jagd auf mobile Beute besonders agil sein müssen (10). Adulte Seeadler kann man am großen gelben Schnabel, dem einheitlichen braunen Gefieder, einem hell abgesetzten Kopf, Hals und oberen Brustbereich und dem weißen, keilförmigen Schwanz erkennen.

6. Schutzkategorien: 

Die Art gilt nach der Roten Liste der IUCN (https://www.iucnredlist.org/) als „Nicht gefährdet“. Der Seeadler ist ein besonderes Schutzgut der EU-Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten) und dort im Anhang I gelistet. Im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie sind alle europäischen Vogelarten aufgeführt, für deren Schutz besondere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Für sie werden spezielle Schutzgebiete geschaffen. In der aktuellen Liste der gefährdeten Brutvogelarten Österreichs wird die Art als „Stark Gefährdet“ eingestuft. Nach der sogenannten „Ampelliste“ (Birds of Conservation Concern) von BirdLife Österreich wird der Seeadler in der Kategorie „Gelb“ geführt, es besteht somit ein fortwährender Schutzbedarf (11). 

7. Rechtslage in Österreich:

Wie in den für Jagd und Naturschutz zuständigen Bundesländern Österreichs üblich, ist die rechtliche Zuständigkeit für den Seeadlerschutz äußerst uneinheitlich geregelt: in vier Bundesländern (Kärnten, Burgenland, Niederösterreich, Wien) ist der Seeadler nur im Jagdgesetz mit ganzjähriger Schonzeit geregelt, in drei Bundesländern (Oberösterreich, Salzburg, Tirol) ist er nach dem Naturschutzrecht geschützt und in zwei Bundesländern (Steiermark, Vorarlberg) ist er sowohl nach dem Jagdrecht geschont als auch im Naturschutzrecht geschützt.

BundeslandStellung im Jagdgesetzbesonderer Schutz durch 
BurgenlandWild, ganzjährig geschont
KärntenWild, ganzjährig geschont
NiederösterreichWild, ganzjährig geschont
OberösterreichNaturschutzgesetz, Naturschutzverordnung
SalzburgNaturschutzgesetz, Naturschutzverordnung
SteiermarkWild, ganzjährig geschontNaturschutzgesetz, Naturschutzverordnung
TirolNaturschutzgesetz, Naturschutzverordnung
VorarlbergWild, ganzjährig geschont Naturschutzverordnung
WienWild, ganzjährig geschont

Nicht zuletzt wegen des oftmals restriktiv ausgelegten Aneignungsrechts von toten Exemplaren zugunsten von Jagdausübungsberechtigten und der begrenzten oder fehlenden Möglichkeiten für Lebensraum- und Horstschutz in den Jagdgesetzen sollte der Schutz von Greifvögeln und Eulen künftig entweder nur im Naturschutzrecht oder wenigstens parallel in beiden Rechtsmaterien geregelt werden. Auch Bestandserhebungen (Monitoring) und aktive Schutzmaßnahmen wurden bislang ausschließlich von Naturschutzinstitutionen wie WWF Österreich und BirdLife durchgeführt.

8. Bedrohungsfaktoren (3):

Zu den natürlichen Mortalitätsursachen des Seeadlers zählen etwa Horst- und Jungvogelabstürze, intraspezifische Konkurrenz sowie Infektionskrankheiten. Daneben gibt es anthropogenen Gefährdungsursachen. Diese wirken sich entweder unmittelbar auf das Individuum aus und führen zum Tod, etwa bei menschlicher Verfolgung oder sie wirken sich indirekt aus und führen zu einem geringeren Bruterfolg. Zu diesem Faktor zählen etwa Störungen zur Brutzeit, die oft einen Brutabbruch zur Folge haben. 

In Österreich wurden im Rahmen des WWF Schutzprogramms für den Seeadler 63 verletzt oder tot aufgefundene Adler untersucht. Vergiftungen durch Köder, Abschuss und Fallenfang wurde bei jedem dritten Seeadler (33 %) festgestellt. Kollisionen mit Windkraftanlagen, Fahrzeugen und Stromleitungen wurden bei 29% der untersuchten Adler festgestellt. Weitere Gefahren waren forstliche Aktivitäten und sonstige Störungen in der Horstumgebung. Nicht zu vernachlässigen ist in Österreich auch der hohe Flächenverbrauch, der zum Verlust von Brut- und Jagdgebieten führt.

Es ist davon auszugehen, dass auch Sekundärvergiftungen durch Bleimunition, Pestizide und Biozide ein bedeutender Bedrohungsfaktor ist. Genaue Untersuchungen zu den Auswirkungen dieser Sekundärvergiftungen fehlen jedoch in Österreich. In anderen Ländern hingegen ist Bleivergiftung die oder eine der wichtigsten Mortalitätsursachen bei Seeadlern. So zeigten Untersuchungen an 123 Kadavern in Finnland, dass 31 % aller untersuchten Vögel eine Bleivergiftung aufwiesen (12). In Schweden waren es ca. 14 % aller untersuchten Adler, die daran starben (13). Studien aus Polen wiesen nach, dass 32 % der verletzt aufgefundenen Seeadler unter einer akuten Bleivergiftung litten (14). Untersuchungen von mehr als 390 Seeadlern in Deutschland ergaben, dass Bleivergiftungen 23 % der Mortalitätsgründe ausmachte und damit die wichtigste Todesursache darstellte (15, 16). 

9. Schutzbemühungen (3):

Die Rückkehr des Seeadlers nach Österreich und andere Regionen Mitteleuropas ist eine erhoffte, von vielen Menschen ursprünglich aber skeptisch beurteilte Erfolgsgeschichte des Artenschutzes. Die ersten Maßnahmen erfolgten bereits in den 1970er Jahren. Verletzt oder tot aufgefundene Seeadler wurden untersucht, um sich ein Bild von den damaligen Verlustursachen – Abschuss und Fallenfang – machen zu können. Auch der illegale Handel mit dieser Art für Flugschauen war damals ein Thema. Pläne zur Nachzucht von Seeadlern wurden wieder verworfen. Auch die kontrollierte Zufütterung, um überwinternde Seeadler durch das Angebot von einwandfreier Nahrung an kontrollierten Futterplätzen von Fallen und Giftködern abzuhalten wurde nach wenigen Jahren eingestellt. Allen voran stand deshalb der Einsatz gegen das Auslegen illegaler Giftköder. Auch gegen den Abschuss und Fallenfang wurde in Zusammenarbeit mit vielen Partnern, u. a. verschiedenen Nationalparks, BirdLife Österreich, Jagdverbänden und der Polizei vorgegangen. Die Maßnahmen zur Verhinderung der Wildtierkriminalität reichten dabei von Einrichtung einer Hotline zur Meldung von Verdachtsfällen über den Einsatz von Spürhunden zum Auffinden von Giftopfern und Ködern bis hin zu Schulungsmaßnahmen für die Exekutive und Unterstützung der Justiz bei der Ahndung von Fällen. Damit ist es möglich, das Ausmaß menschlicher Verfolgung von Seeadlern und anderen Greifvögeln einigermaßen zu begrenzen. Jedoch ist es nur in wenigen Fällen gelungen, Täter ausfindig zu machen und auch zu verurteilen. Andere Aktivitäten des Schutzprogramms umfassten die Errichtung von Kunsthorsten, die Winterfütterung und die Pflege verletzter Vögel, vor allem auf der Eulen- und Greifvogelstation Haringsee. Bewusstseinsbildung bei der Bevölkerung vor Ort war ebenfalls Teil des Schutzprojektes, um ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse des Seeadlers zu schaffen und damit auch viele unbeabsichtigte Störungen im Vorhinein abzuwenden. Um die Nestbereiche störungsfrei zu halten, wurde die Ausweisung von Horstschutzzonen, die in einigen Fällen auch eingerichtet wurden, gefordert. Maßnahmen umfassten auch das Engagement für eine gänzliche Umstellung auf bleifreie Jagdmunition sowie die Erstellung von Zonierungsplänen für die Windkraftnutzung. Nicht zuletzt profitiert der Seeadler auch von den großen Renaturierungsprojekten, die u.a. an der March und an der Donau, zwei wichtigen Lebensadern in Österreich, umgesetzt wurden.

Kontakt: Dr. Hans Frey, h.frey@4vultures.org

Literatur:

(1) Gamauf, A. (1991): Greifvögel in Österreich. Bestand – Bedrohung – Gesetz. Monographien 29, Umweltbundesamt, Wien, 128 S.

(2) Probst, R. & H. Peter (2009): Der Seeadler (Haliaeetus albicilla) in Österreich: Eine Revision historischer Daten. Denisia 27, 19–28.

(3) Probst, R. & C. Pichler (2021): Der Seeadler in Österreich – 20 Jahre Schutz und Forschung WWF Österreich, Wien, 164 S.

(4) Ratcliffe D. (1967): Decrease in eggshell weight in certain birds of prey. Nature 215: 208–210.

(5) Zuna-Kratka T., Kalivodivá E., Kürthy A., Horal D. & P. Horák (2000): Die Vögel der March-Thaya-Auen im österreichisch-slowakisch-tschechischen Grenzraum. Distelverein, Deutsch-Wagram, 1–285.

(6)Probst R. & R. Schmid (2002): Rote Liste Porträt: Der Seeadler brütet wieder. Vogelschutz in Österreich 17: 6–7.

(7) Krone, O., Kenntner, N., Trinogga, A., Nadjafzadeh, M., Scholz, F., Sulawa, J., Totschek, K., Schuck-Wersig, P. & R. Zieschank (2009). Lead poisoning in white-tailed sea eagles: Causes and approaches to solutions in Germany. In: Probst und Pichler (2021)

(8) Mebs, T. & D. Schmidt (2014): Die Greifvögel Europas, Nordafrikas und Vorderasiens. Biologie, Kennzeichen, Bestände. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart, 494 S.

(9) Müller, H. (2010): Brutbiologische Beobachtungen an einem Seeadler Haliaeetus albicilla-Brutplatz in Bayern. Ornithol. Anz. 49, 193–200.

(10) Krüger, O. (2005): The evolution of reversed sexual size dimorphism in hawks, falcons and owls: a comparative study. Evolutionary Ecology 19, 467–486.

(11) Dvorak, M., Landmann, A., Teufelbauer, N., Wichmann, G., Berg, H.-M. & R. Probst (2017):       Erhaltungszustand und Gefährdungssituation der Brutvögel Österreichs: Rote Liste (5. Fassung) und Liste für den Vogelschutz prioritärer Arten (1. Fassung). Egretta 55, S. 6–42.

(12) Isomursu, M., Koivusaari, J., Stjernberg, T., Hirvelä-Koski V. & E.-R. Venäläinen (2018): Lead poisoning and other human-related factors cause significant mortality in white-tailed eagles. Ambio 47, 858–868. 

(13) Helander, B., Axelsson, J., Borg, H., Holm, K. & A. Bignert (2009): Ingestion of lead from ammunition and lead concentrations in white-tailed sea eagles (Haliaeetus albicilla) in Sweden, Science of The Total Environment 407 (21), 5.555–5.563.

(14) Kitowski, I., Jakubas, D., Wiącek, D. & A. Sujak (2017): Concentrations of lead and other elements in the liver of the white-tailed eagle (Haliaeetus albicilla), a European flagship species, wintering in Eastern Poland. Ambio 46, 825–841.

(15) Krone, O., Kenntner, N., Trinogga, A., Nadjafzadeh, M., Scholz, F., Sulawa, J., Totschek, K., Schuck-Wersig, P. & R. Zieschank (2009). Lead poisoning in white-tailed sea eagles: Causes and approaches to solutions in Germany.

(16) Watson, R. T., Fuller, M., Pokras, M. & G. Hunt (2009): Ingestion of Lead from Spent Ammunition: Implications for Wildlife and Humans, The Peregrine Fund, 394 S.

Wolf

Positionspapier Wolf & Almwirtschaft

Fakten zum Thema Gefährdung der Biodiversität auf Almen durch den Wolf

(Stand: August 2024)
Monika Kriechbaum und Bernhard Splechtna

(basierend auf Kriechbaum et al. 2019)

Hier die aktuelle Version zu unserem Positionspapier Wolf & Almwirtschaft als PDF.

KURZFASSUNG

  • Almwirtschaft gehört zu den ältesten Bewirtschaftungssystemen und gilt als ein Musterbeispiel für multifunktionale Landnutzung. Bedingt durch hohe Standort-, Vegetations- und Strukturvielfalt auf engstem Raum können Almen sehr artenreich und Zentren der Biodiversität sein.
  • Voraussetzung für eine große Arten- und Lebensraumvielfalt auf Almen ist eine standortangepasste, extensive Bewirtschaftung.
  • Ein genereller Rückgang der bewirtschafteten Almflächen – unabhängig von der Rückkehr des Wolfs – ist seit vielen Jahren in Österreich und europaweit mit zahlreichen Studien belegt und hat vielfältige wirtschaftliche und gesellschaftliche Ursachen. Die aktuelle Entwicklung ist auf Almen ähnlich wie in den Tallagen: Wo die Möglichkeit besteht, wird intensiviert, wo es aber Bewirtschaftungshindernisse gibt und in Grenzertragslagen wird die Bewirtschaftung aufgegeben. Diese Entwicklung gefährdet die Biodiversität der Almen. 
  • Nach Aufgabe der Beweidung kommt es unterhalb der potenziellen Baumgrenze zu Veränderungen der Artenzusammensetzung und Vegetationsstruktur. Wie schnell oder langsam diese Entwicklungen erfolgen, hängt von zahlreichen Standortfaktoren ab. Auch ein hoher Beweidungsdruck durch Wildtiere kann ein Zuwachsen sehr lange verhindern.
  • Der Wolf ist neben Bär und Luchs eine von vielen Gefahren, denen Weidetiere im Gebirgsraum ausgesetzt sind. Das Vorkommen von Wölfen bedingt die Gefahr für Weidetiere, gerissen zu werden umso mehr, als Österreichs Almwirtschaft nach eineinhalb Jahrhunderten ohne große Beutegreifer nicht mehr auf diese eingestellt ist und der früher übliche Herdenschutz verloren gegangen ist. 
  • Die Problematik um die Zukunft der Almwirtschaft ist vielschichtig und lässt sich nicht auf den Konflikt zwischen Viehhaltung und Wolf reduzieren, sondern stellt gesellschaftliche Fragen. Die Rückkehr der Wölfe ist eine Chance, einer extensiven und damit biodiversitätsfördernden, durch Behirtung zukunftsfähigen Almwirtschaft auch politisch mehr Beachtung und Wertschätzung zu schenken und sie entsprechend zu fördern.

Almfakten im Detail

1. Almwirtschaft und Biodiversität

Almwirtschaft gehört zu den ältesten Bewirtschaftungssystemen und gilt als ein Musterbeispiel für multifunktionale Landnutzung. Die ökologischen Funktionen der Almwirtschaft beinhalten laut ALP Austria, einem umfangreichen Programm zur Sicherung und Entwicklung der alpinen Kulturlandschaft, „die Erhaltung der Biodiversität, der Habitate und Naturschutzgüter“ (BMLFUW 2006: 22).

Almen können sehr artenreich und Zentren der Biodiversität sein. Eine Besonderheit auf Almen stellt die hohe Vielfalt auf kleinem Raum dar. Bedingt z.B. durch unterschiedliche geologische Verhältnisse und durch die unterschiedliche Höhe und Dauer der Schneelage und Wasserversorgung kommt es zu kleinräumig wechselnden Standortbedingungen. Herausragende Steine oder Felsen und Bodenbewegungen aufgrund von wiederholtem Gefrieren und Auftauen tragen zur Bildung eines ausgeprägten Mikroreliefs bei, das durch Viehtritt noch verstärkt wird. Diese Faktoren führen unter anderem zur Ausprägung unterschiedlicher Pflanzengesellschaften, die mosaikartig verzahnt sind. Grasland-Zwergstrauch-Strauch-Mosaike bieten Lebensräume für viele Arten mit unterschiedlichen Ansprüchen (vgl. z.B. Hofer et al. 2013). Diese hohe Standort-, Vegetations- und Strukturvielfalt auf engstem Raum bedeutet auch ein entsprechendes Angebot an Lebensraumvielfalt für Kleintiere und eine damit verbundene hohe Biodiversität pro Flächeneinheit.

Voraussetzung für eine große Arten- und Lebensraumvielfalt auf Almen ist aber eine standortangepasste, extensive Bewirtschaftung. Darauf wird in zahlreichen Studien hingewiesen, beispielsweise auch in dem Programm ALP Austria und es ist Bestandteil des „almwirtschaftlichen Basiswissen“: „Almen besitzen eine hohe Biodiversität. Nur die Aufrechterhaltung einer ausgewogenen, standortgerechten Bewirtschaftung sichert diese Arten- und Lebensraumvielfalt. Unzureichende Bewirtschaftung und Nutzungsaufgabe sowie in einzelnen Fällen auch Überbestoßung mit falschem Nährstoffmanagement sind jedoch aktuelle Entwicklungen, die die Biodiversität gefährden. Geeignete Maßnahmen sind erforderlich, die diesen Veränderungen der Bewirtschaftung entgegenwirken“ (Almwirtschaft Österreich, LFI 2020). 

2. Wie kann man eine ausgewogene, standortgerechte Bewirtschaftung genauer definieren?

Die Begriffe extensiv und intensiv sind in diesem Zusammenhang nicht ganz unproblematisch, da die traditionelle biodiversitätsfördernde Bewirtschaftung früherer Zeiten sehr intensiv hinsichtlich des Arbeitsaufwandes war – z.B. Behirtung, Schwendmaßnahmen, Errichtung und Erhaltung von Zäunen. Aber sie war extensiv in Hinblick auf die Auswirkungen auf die Vegetation. Die Viehzahlen waren an das Futterangebot angepasst und Hirten sorgten dafür, dass auch entlegenere Almgebiete beweidet werden konnten. Zur Einschätzung der Beweidungsintensität kann die Besatzdichte, also der Weidedruck pro Flächeneinheit, angegeben in Großvieheinheiten (GVE) pro ha, herangezogen werden. Als Richtwert für die Definition extensiv wird in diesem Zusammenhang eine Besatzdichte von durchschnittlich 0,5 GVE/ ha (0,25: Magerweiden auf Hochalmen, 0,75: Magerweiden auf Mittelalmen) angenommen. Diese Einstufung wurde für den Nationalpark Gesäuse erarbeitet (Egger & Kreiner 2009). Die Autoren weisen darauf hin, dass die angegebenen Werte auf der konkreten Fläche je nach Wüchsigkeit der Fläche, Alpungsdauer und aufgetriebenen Tierkategorien deutlich schwanken können.

Kriechbaum et al. (2019) haben die durchschnittliche Besatzdichte auf Bürstlings- oder Borstgrasrasen auf Almen in den österreichischen Almregionen analysiert. Der Lebensraumtyp „Artenreiche montane Borstgrasrasen auf Silikatböden“ist ein „prioritärer Lebensraum“ im Sinne von Artikel 1 der FFH-Richtlinie, der durch die Nutzung von Mensch und Weidevieh entstanden ist. Als Voraussetzung für einen günstigen Erhaltungszustand ist eine extensive Beweidung mit standortangepassten Tierrassen zu erachten. Die oben genannte Besatzdichte für extensiv beweidete Magerweiden kann für Borstgrasrasen als angemessen angesehen werden. Zum Vergleich wurden Studien aus anderen europäischen Ländern herangezogen, in denen die für den Lebensraumtyp Borstgrasrasen empfohlenen Besatzdichten, je nach Höhenlage, zwischen 0,15 und 1,0 GVE/ ha schwanken. Die beiden Almregionen Oststeirisches Bergland und Kor-, Pack-, Sau-, Stubalpe weisen ca. 65 % der innerhalb von Almregionen als FFH-Lebensraumtyp ausgewiesenen Borstgrasrasen-Gesamtfläche auf (Stand 2017). Die durchschnittliche Besatzdichte auf den Borstgrasrasen in den beiden Almregionen beträgt 1,3 GVE/ ha Almfutterfläche, was deutlich über der als extensiv geltenden und für Borstgrasrasen empfohlenen Besatzdichte liegt. In Österreich betrug 2017 die durchschnittliche Besatzdichte 1,05 GVE/ ha Almfutterfläche mit steigendem Trend. Auf die Biodiversität von Almen hat das auf jeden Fall negative Auswirkungen.

3. Veränderungen und Rückgang der Almwirtschaft

Die Entwicklung auf Almen ist ähnlich wie in den Tallagen: Wo die Möglichkeit besteht wird intensiviert, wo es Bewirtschaftungshindernisse gibt und in Grenzertragslagen wird die Bewirtschaftung aufgegeben. Das richtige Maß, „das goldene Mittelmaß“, geht verloren. „Der Trend zeigt großflächige Unternutzungen oder Extensivierungen und punktuell kleinflächige Intensivierungen der Almflächen. Gründe dafür sind falsches Weidemanagement und nur bedingt almtaugliche Hochleistungstiere. Auf vielen Almen werden Flächen gar nicht oder nicht ausreichend gepflegt“ (BMLFUW 2006: 105).

Auch wenn Almwirtschaft in Österreich eine lange Tradition hat und scheinbar seit Jahrhunderten in gleicher Weise erfolgt, wurde sie immer wieder an neue Bedingungen und Lebenssituationen der Almbäuerinnen und Almbauern angepasst. Auslöser dieser Veränderungen waren meist wirtschaftliche und gesellschaftliche Umstände. Im Laufe der jahrhunderte- bis jahrtausendealten Almwirtschaftsgeschichte gab es immer wieder bessere und schlechtere Phasen. Im Zuge der agrarmarktbedingten Rationalisierung der Landwirtschaft konzentrierte sich die Produktion immer mehr auf intensivierbare Standorte und es kam zu einem Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften. „Die Almrezession der 1960er und 1970er Jahre war verbunden mit einem tiefgreifenden Struktur- und Nutzungswandel sowie einer Veränderung der Beziehungen Alm-Heimgut“ (Ringler 2009: 406).

Einen Überblick über die Entwicklung wichtiger almwirtschaftlicher Parameter von 1952-2009 gibt die österreichische Almstatistik 2009 (BABF 2010). Die Gesamtalmfläche, die neben den Almweiden auch den Almwald und unproduktive Flächen umfasst, betrug 2009 immerhin 1,06 Mio ha, also 13 % des gesamten Staatsgebietes. Obwohl die Zeitreihe inkonsistent ist, lässt sich ein Rückgang der Almfläche bis ins Jahr 2000 feststellen, danach eine Stabilisierung, wahrscheinlich im Zusammenhang mit den nach dem EU Beitritt Österreichs verfügbaren Förderungen. Aber selbst zwischen 2000 und 2009 hat sich die Anzahl der Almbetriebe durchschnittlich um 5 % verringert (in der Steiermark sogar um 12 %), die Almfutterfläche um fast 10 %. Auch wenn ein Teil dieses Rückganges der Almfutterflächen auf die genauere Erfassung dieser Flächen zurückzuführen ist, nimmt der Anteil der Almfutterfläche an der Gesamtfläche auch durch Umwidmungen, Verbuschung und Verwaldung von 46,6 % auf 42,3 % ab. Dieser Trend verstärkte sich noch, da die Almfutterfläche von 2009 bis 2016 noch einmal stark abgenommen hat (Obweger 2018). Dies alles geschah lange bevor die Rückkehr der Wölfe ein Thema wurde. 

Auf die steigende Entwicklung der Besatzdichte auf Österreichs Almen wurde bereits hingewiesen. Die Besatzdichte wurde von Obweger (2018) nicht als Durchschnitt der Einzelbetriebe ermittelt, sondern als Summe GVE/ Summe verfügbarer Futterfläche. Dadurch ergeben sich im Vergleich etwas geringere absolute Werte aber dennoch ein deutlicher Anstieg in den letzten Jahren. Österreichweit ist die Besatzdichte seit 2000 kontinuierlich angestiegen und verzeichnete 2016 gegenüber 2000 einen Anstieg von etwa 65 %. Auch wenn dieser Trend steigender Besatzdichten auf Grund laufender Veränderungen in der Flächenerfassung mit Vorsicht interpretiert werden muss, bestätigt er die Aussage, dass neben der Bewirtschaftungsaufgabe, Intensivierung auf den Almen stattfindet. Die negativen Auswirkungen auf die Biodiversität einer ertragsoptimierten Almwirtschaft mit Hochleistungsrindern und Umstellung der Düngungsweisen hin zur intensiven Güllung thematisiert auch das Positionspapier „Zukunftsfähige Almwirtschaft, Almdüngung“ des Förderungsvereins für Umweltstudien hin (FUST-Tirol 2014).

So wie viele traditionelle Bewirtschaftungsformen weltweit, ist das sozio-ökologische System der Almwirtschaft insgesamt und die Frage der Auflassung oder Weiterführung der Almen von vielen Faktoren beeinflusst. Neben der Wirtschaftlichkeit, der Hofnachfolge, Änderungen in der Bewirtschaftung des Heimbetriebes, der Förderungslandschaft, der Erreichbarkeit, geringen Erzeugerpreisen oder Zusatzeinkünften aus dem Tourismus spielen dabei auch so wenig messbare Faktoren wie Traditionsbewusstsein, bergbäuerliche Identität und gesellschaftliche Anerkennung der Berglandwirtschaft eine Rolle. Die arbeitsaufwendige traditionelle Bewirtschaftung kann heute meist nicht mehr geleistet werden und daher konzentriert sich die Beweidung auf gut zugängliche Flächen. Aus Mangel an Almpersonal gibt es keine ständige Behirtung und Pflege der Almflächen. Mit dem Rückgang der Hirten ging nicht nur wertvolles Wissen zum Herdenschutz verloren, sondern auch zu Tiergesundheit, Weidepflege und Weideführung. 

4. Welche Auswirkungen hat die Aufgabe der Almbewirtschaftung auf die Biodiversität?

Artenreiche alpine Matten oberhalb der potenziellen Baumgrenze sind von keiner landwirtschaftlichen Nutzung abhängig. In tieferen Lagen kommt es nach Aufgabe der Beweidung zu Veränderungen der Artenzusammensetzung und Vegetationsstruktur. In welche Richtung, wie schwerwiegend und wie schnell oder langsam die Entwicklungen erfolgen, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Entscheidende Einflussgrößen sind Höhenlage, Exposition sowie die Nährstoff- und Wasserversorgung des Standortes, aber auch Geländeform, Schneelage, vorhandene Bestockung und samentransportierende Tiere, Klima, Nutzungsgeschichte, Artenzusammensetzung und Dichte der vorhandenen Vegetation und Wildwiederkäuerdichte.

Da weite Bereiche der Alpen schon seit Ende des 2. Weltkrieges auf Grund der veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen von einem Landnutzungswandel betroffen sind und die Bewirtschaftung vielerorts aufgegeben wurde, gibt es aus verschiedenen Regionen Beispiele in der Literatur, wie die Sukzession ablaufen kann (z.B. Spatz et al. 1978, Holzner 2007, Ringler 2009, Köstl et al. 2021). Von 103 in Tirol untersuchten brachgefallenen Almen waren mehr als die Hälfte nach Jahrzehnten noch offen und nur etwa 10 % fast durchgängig dicht bestockt (Paldele 1994). Generell kann davon ausgegangen werden, dass unterhalb der potentiellen Waldgrenze die Sukzession der Borstgrasrasen über Zwergstrauchheiden oder Adlerfarnfluren, Latschen- oder Grünerlengebüsche bis hin zu Wald verläuft. Meist wandern innerhalb von zehn Jahren die verbissempfindlichen Zwergsträucher wie z.B. Vaccinium– und Rhododendron-Arten wieder ein (Erschbamer et al. 2003, Holzner 2007). Die Etablierung von Bäumen erfolgt nach 20-40 Jahren, kann aber durch dichten Grasfilz und Wildäsung lange verzögert werden (Schütz et al. 2003). Bei Nutzungsauflassung der subalpinen Kalkrasen, die auch einen FFH-Lebensraumtyp darstellen, erfolgt eine Verbuschung vorwiegend mit Latsche. Mit Mustern der Ausbreitung von Latschen in der Folge von Landnutzungsänderungen und Klimawandel in den nördlichen Kalkalpen beschäftigten sich Dullinger et al. (2003). Nach ihren Ergebnissen breitet sich die Latsche in subalpinen Rasengesellschaften nach Nutzungsaufgabe auf Grund der dichten Grasmatrix sehr langsam aus.

In der Conclusio einer naturschutzfachlichen Evaluierung der Almbewirtschaftung im Nationalpark Gesäuse anhand der Indikatorgruppen Zikaden, Wanzen und Spinnen (Ökoteam 2013) wird auf Grund zu intensiv beweideter Almflächen die Sinnhaftigkeit der Beweidung sogar angezweifelt, da geeignete Lebensbedingungen für naturschutzfachlich relevante Arten an eine deutliche Extensivierung der Beweidung gebunden sind. Sollte dies nicht oder nur schwer möglich sein, wäre aus tierökologischer Sicht das Sukzessions-Endstadium Naturwald den gegenwärtigen (intensiven) Weideflächen vorzuziehen. Eine punktuelle oder kleinflächige Verbrachung und Verbuschung beurteilen die Autoren dieser Studie aus zoologischer und naturschutzfachlicher Sicht grundsätzlich positiv. Gründe dafür sind das Ausweich-, Refugial- und Wiederbesiedlungpotenzial dieser Flächen, ein stetes Angebot von Blüten (Nahrung, Lebensraum), ein stetiges Angebot an hoher Vegetation (Struktur für Netz- und Kokonbau, Samen als Nahrung, Deckung) und kleinklimatisch günstige, stabilereBedingungen in diesen Bereichen. Diese Einschätzung deckt sich mit zahlreichen anderen Studien. 

Von den auf Almen vorkommenden FFH-Lebensraumtypen sind v.a. die oben erwähnten Borstgras- oder Bürstlingsrasen von einer Bewirtschaftungsaufgabe betroffen. Der Erhaltungszustand der Borstgrasrasen im alpinen Raum wurde in der letzten Berichtsperiode sowie zuvor 2007 und 2013 als ungünstig – unzureichend eingestuft (Umweltbundesamt 2020). Als Gefährdungsursachen werden einerseits die Nutzungsaufgabe und die daraus resultierende Verbuschung oder Aufforstung, andererseits aber auch die Nutzungsintensivierung, Düngung oder Nährstoffeintrag aus angrenzenden Flächen und die direkte Zerstörung durch die Umwandlung in Ackerland oder Skipisten sowie Änderung der hydrologischen Verhältnisse genannt (Ellmauer 2005).

5. Wolf und Almwirtschaft

Das Vorkommen von Wölfen bedingt die Gefahr für Weidetiere, gerissen zu werden umso mehr, als Österreichs Almwirtschaft nach eineinhalb Jahrhunderten ohne große Beutegreifer nicht mehr auf diese eingestellt ist. Wölfe waren in den Alpenländern lange Zeit, zumindest bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, ein Teil des Systems der Almbewirtschaftung. Konflikte mit der Weidetierhaltung gelten auch zusammen mit geringen Wilddichten als Hauptursache für die Ausrottung der Wölfe in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Der Wolf ist aber nur eine von vielen Gefahren, denen Weidtiere im Gebirgsraum, v.a. ohne Behirtung, ausgesetzt sind, z.B. Unwetter, Hagel, Muren, Lawinenabgänge, unübersichtliche Geländestrukturen, steile Geländestellen, Absturz, Erschrecken durch Hubschrauber. Der Wolf spielt bei einer gesamtheitlichen Betrachtung über einen längeren Zeitraum im Vergleich zu den sozio-ökonomischen und agrarpolitischen Rahmenbedingungen eine vernachlässigbare Rolle in Hinblick auf (bereits stattfindende) Bewirtschaftungsänderungen. Das ist für die Bäuerinnen und Bauern, die von Wolfsrissen betroffen sind, kein Trost, aber für die Einschätzung, welche Rolle der Wolf bei der Bewirtschaftungsaufgabe von Almen spielt, von zentraler Bedeutung. 

6. Zukunft der Almen

Almwirtschaft zählt zu den ältesten Landwirtschaftsformen Europas und in der langen Geschichte der Almwirtschaft hat es immer wieder Krisenzeiten und Blütezeiten gegeben. Ein genereller Rückgang der bewirtschafteten Almflächen ist seit vielen Jahren in Österreich und europaweit mit zahlreichen Studien belegt. Die Ursachen dafür lagen in der Vergangenheit meist in einer agrarmarktbedingten Rationalisierung in der Landwirtschaft, in Veränderungen im Viehbestand von almtauglichen Rassen zu Hochleistungsrindern, dem gesellschaftlichen Wandel allgemein und einer damit in Zusammenhang stehenden Auflassung von landwirtschaftlichen Betrieben. „Almen geraten von vielen Seiten unter Druck“ führt der Soziologe und Professor für Agrar- und Regionalsoziologie Markus Schermer in einem Interview aus und, dass der Wolf momentan das Thema ist, aber es viele weitere Herausforderungen gibt, wie etwa Arbeitskräftemangel oder Klimawandel – schleichende Prozesse, die dazu führen, dass sich die Bewirtschaftung der Almen in Zukunft dramatisch ändern wird.

Die Problematik um die Zukunft der Almwirtschaft ist vielschichtig und lässt sich nicht auf den Konflikt zwischen Viehhaltung und Wolf reduzieren, sondern stellt gesellschaftliche Fragen (vgl. Stauder 2023). Die Schlussfolgerung „Kommt der Wolf, geht der Bauer“ ist nicht nur unzulänglich, sondern lenkt von den tatsächlichen Problemen ab, mit denen die Almwirtschaft konfrontiert ist. Wir können die Rückkehr der Wölfe vielmehr als Chance sehen, einer zukunftsfähigen und biodiversitätsfördernden Almwirtschaft mehr Beachtung und Wertschätzung zu schenken – von politischer und von gesellschaftlicher Seite. Landschaften mit kultureller Identität entstehen heute nicht mehr nebenher, es muss bewusst an ihrer Entwicklung gearbeitet werden, was in einer Zeit, in der immer weniger Menschen in der Landwirtschaft arbeiten, eine besonders schwierige Aufgabe darstellt (vgl. Van Elsen 2008). Mit der In-Wertsetzung der Almwirtschaft beschäftigt sich das Positionspapier „In-Wertsetzung der Almwirtschaft“ (Tasser et al. 2023). Als zentrale Strategien für eine standortangepasste Almwirtschaft wird die Förderung von Almpersonal, eine richtige Auswahl der Weidetiere und der Erhalt von traditionellen Agro-Forstsystemen empfohlen. Bereits vor beinahe 20 Jahren diskutiert Ringler (2007) verschiedene Lösungsansätze und macht Vorschläge für eine „interregional besser austarierte, ökologisch effizientere Förderpolitik„. Ein kritischer Punkt in Hinblick auf Biodiversität im aktuellen Förderprogramm ist die Reduktion förderbarer Flächen auf die Futterfläche einer Alm, weil dieser Ansatz der besonderen Bedeutung von Rasen-Zwergstrauch-Strauch-Mosaiken entgegenwirkt.

Abschließend soll darauf hingewiesen werden, dass der wissenschaftliche Diskurs über die Verbrachung von Almflächen kontrovers geführt wird (vgl. Wuttej 2010). Die Diskussion über die Bedeutung von Almen für die Biodiversität im Zusammenhang mit Nutzungsänderungen und Klimawandel kommt nicht umhin, auch andere Naturschutzperspektiven zu berücksichtigen. Aus einer prozessorientierten, dynamischen Sichtweise können die Aufgabe von Weideflächen und die passive Wiederbewaldung auch positive Auswirkungen auf Ökosysteme haben. Besonders hinsichtlich der klar nachweisbaren negativen Auswirkungen auf die Biodiversität von Almflächen durch zunehmende Intensivierung – wie am beschriebenen Beispiel des Nationalparks Gesäuse geschehen – ist in der Abwägung öffentlicher Interessen dem Zulassen natürlicher Prozesse zugunsten von mehr naturschutzfachlich wertvoller alpiner Wildnis der Vorzug zu geben.

Ausgewählte Literatur

  1. Almwirtschaft Österreich, LFI (Hrsg.) (2020): Almwirtschaftliches Basiswissen. Von der Bedeutung der Almen. 2. Auflage, 63 S. https://www.almwirtschaft.com/services/fachunterlagen-zur-almwirtschaft/
  2. BABF, Bundesanstalt für Bergbauernfragen (2010): Almstatistik 2009. Zahlen und Fakten zur österreichischen Almwirtschaft. Facts & Features 43, Wien, 86 S.
  3. BMLFUW (2006): ALP Austria. Programm zur Sicherung und Entwicklung der alpinen Kulturlandschaft. Medieninhaber und Herausgeber: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Land Kärnten, Land Oberösterreich, Land Salzburg, Land Steiermark, Land Tirol, Land Vorarlberg, Gesamtkoordination: Umweltbüro Klagenfurt. 262 S. https://dafne.at/projekte/alp-austria
  4. Dullinger S., Dirnböck T., Grabherr G. (2003): Patterns of Shrub Invasion into High Mountain Grasslands of the Northern Calcareous Alps, Austria. Arctic, Antarctic, and Alpine Research 35 (4): 434-441.
  5. Egger G., Kreiner D. (2009): Managementplan Almen. Life-Gesäuse. Bericht d. Nationalpark Gesäuse GmbH, Weng, 153 S.
  6. Ellmauer T. (Hrsg.), 2005. Entwicklung von Kriterien, Indikatoren und Schwellenwerten zur Beurteilung des Erhaltungszustandes der Natura 2000-Schutzgüter. Band 3: Lebensraumtypen des Anhangs I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Wien.
  7. Erschbamer B., Virtanen R., Nagy L. (2003): The impacts of vertebrate grazers on vegetation in European high mountains. In: Nagy L., Grabherr G., Körner C., Thompson D.B.A. (eds.): Alpine Biodiversity in Europe. Ecological Studies 167. Springer, Berlin: 377-396.
  8. FUST-Tirol (2014): Zukunftsfähige Almwirtschaft, Almdüngung. FUST-Position 10, Forschungs- und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung“ des Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol), Achenkirch, http://www.fust.at/positionen_10/
  9. Holzner W. (2007): Naturvielfalt durch Almwirtschaft. In: Holzner W. et al.: Almen. Almwirtschaft und Biodiversität. Grüne Reihe des Lebensministeriums, Band 17. Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar: 61-120.
  10. Hofer G., Junge X., Koch B., Schüpbach B. (2013): Einzigartige Kulturlandschaft und Artenvielfalt im Sömmerungsgebiet. In: Zukunft der Schweizer Alpwirtschaft. Eidg. Forschungsanstalt WSL, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Hrsg. Stefan Lauber (et al.), Birmensdorf, Zürich Reckenholz. 2013, 123-135.
  11. Köstl, T., Berger, V., Kirchmeir, H: & Wuttej, D. (2021): Dokumentation von Naturprozessen Teil 5. Prozessinventar: Dynamik sekundärer Sukzessionen – Aufgelassene Almen. Projektbericht E.C.O. Institut für Ökologie, Klagenfurt.
  12. Kriechbaum M., Pennerstorfer J., Pröbstl F., Seiberl M., Splechtna B. (2019): Biodiversität und Alpwirtschaft. In: Hackländer K. et al. (2019): Gutachterliche Stellungnahme zu den Auswirkungen von rückkehrenden Wölfen auf Landwirtschaft und traditionelle Weidehaltung, Freizeit- und Erholungswirtschaft, Jagd- und Forstwirtschaft sowie Biodiversität im Ostalpenraum. BOKU-Berichte zur Wildtierforschung und Wildbewirtschaftung 23. Universität für Bodenkultur Wien. S. 353-387.
  13. Obweger, A. (2018): Analyse des Rückgangs der Almauftriebszahlen in Österreich. Masterarbeit, Universität für Bodenkultur Wien. 191 S.
  14. Ökoteam (2013): Naturschutzfachliche Evaluierung der Almbewirtschaftung im Nationalpark Gesäuse, Teil 3: Kölblalm, Nieder- und Hochscheibenalm. Bewertung anhand der Indikatorgruppen Zikaden, Wanzen und Spinnen. Endbericht, Graz. Auftraggeber Nationalpark Gesäuse GmbH.
  15. Paldele, B. (1994): Die aufgelassenen Almen Tirols. Innsbrucker Geografische Studien 23, Universität Innsbruck.Ringler A. (2007): Almzukunft und Almförderung. Ökologische Perspektiven im Klima- und Politikwandel (Teil 2). ANLIEGEN NATUR 31: 62-75.
  16. Ringler A. (2007): Almzukunft und Almförderung. Ökologische Perspektiven im Klima- und Politikwandel (Teil 2). ANLIEGEN NATUR 31: 62-75.
  17. Ringler A. (2009): Almen und Alpen. Höhenkulturlandschaft der Alpen. Ökologie, Nutzung, Perspektiven. Hrsg.: Verein zum Schutz der Bergwelt, München. Langfassung auf CD, 1448 S.
  18. Schütz M., Risch A.C., Leuzinger E., Krüse B.O., Achermann G. (2003): Impact of herbivory by red deer (Cervus elaphus L.) on patterns and processes in subalpine grasslands in the Swiss National Park. Forest Ecology and Management 181: 177-188.
  19. Spatz G., Weis B., Dolar D.M. (1978): Der Einfluss von Bewirtschaftungsänderungen auf die Vegetation von Almen im Gasteiner Tal. In: Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Ökologische Analysen von Almflächen im Gasteiner Tal – Veröffentlichungen des Österreichischen MaB-Hochgebirgsprogramms Hohe Tauern, Band 2. Innsbruck: Univ.-Verl. Wagner. 163-180.
  20. Stauder J. (2023): Das Ende der Almen? Wer nur den Wolf sieht, übersieht das Wesentliche. Alpenvereinsjahrbuch BERG 2034: 206-211.
  21. Tasser E., Herzog S., Burgstaller R., Underberg-Ruder H., Stock J. (2023): In-Wertsetzung der Almwirtschaft. FUST Fakten & Positionen 12. http://www.fust.at/wp-content/uploads/Positionspapier-Almwirtschaft.pdf
  22. Umweltbundesamt (2020): Ellmauer T., Igel V., Kudrnovsky H., Moser D., Paternoster D.: Monitoring von Lebensraumtypen und Arten von gemeinschaftlicher Bedeutung in Österreich 2016–2018 und Grundlagenerstellung für den Bericht gemäß Art.17 der FFH-Richtlinie im Jahr 2019: Teil 2: Artikel 17-Bericht. Im Auftrag der österreichischen Bundesländer. Umweltbundesamt, Reports Bd. REP-0734. Wien.
  23. Van Elsen T. (2008): Landwirtschaft zwischen „Wachsen und Weichen“ und gesellschaftlichem Auftrag zur Landschaftspflege. Laufener Spezialbeiträge 1/08: 66-73.
  24. Wuttej D. (2010): Vegetationsökologische Untersuchung und naturschutzfachliche Bewertung brachgefallener und bewirtschafteter Flächen auf der Kallbrunnalm (Salzburg) und der Rossalm (Oberbayern). Masterarbeit, Universität Wien.
Jagd

Positionspapier Wild-Fütterungen

Fakten zu Wildfütterungen: Die aktuelle Lage in Österreich

Stand 2023
Autorin: Karoline Schmidt

Hier die aktuelle Version zu unserem Positionspapier zu Wildfütterungen als PDF.

KURZFASSUNG

  • Wildtiere in freier Natur sind zwar per Definition vom Menschen unabhängige, sich frei bewegende und sich selbst versorgende Tiere (auch jene, die vom Menschen bejagt werden), doch werden in Österreich zahlreiche jagdbare Wildarten jedes Jahr witterungsunabhängig viele Monate lang intensiv gefüttert: Hasen, Rebhühner, Fasane und Enten, sowie von den Huftieren vor allem Rehe und Rothirsche.
  • Diese Fütterungen sind keineswegs Notfütterungen in außergewöhnlichen Extremsituationen, sondern auf den Prinzipien der Viehhaltung basierende jagdliche Managementmaßnahmen. Sie dienen ausschließlich jagdlichen Interessen und sind dementsprechend in den Jagdgesetzen auch explizit als „Jagdschutz“-Maßnahmen vorgeschrieben.
  • Werden Wildtiere ähnlich wie landwirtschaftlich genutzte Tiere bewirtschaftet, geht das meist zu Lasten anderer („schädlicher“) Tierarten und führt bei Huftieren auch zu einer Schwächung der Resilienz des Waldökosystems: Aufgrund der intensiven Fütterung kann der Wildbestand die ökologische Tragfähigkeit des Lebensraumes dauerhaft übersteigen und verhindert durch Verbiss nicht nur eine ausreichende Verjüngung des Waldes, sondern verringert auch die Baumartenvielfalt, da bestimmte Arten bevorzugt gefressen werden. Dadurch werden die Widerstandsfähigkeit und die Selbstregulation des Waldes geschwächt. Das ist insofern problematisch, als Wälder aufgrund ihrer Schutz- und Wohlfahrtswirkung de facto eine kritische Infrastruktur sind.
  • Somit verwandelt das fütterungsbasierte Wildtiermanagement die Jagd von einer potenziell nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen zu einer eigennützigen Produktion weniger Wildarten zu Lasten des Ökosystems und damit der Allgemeinheit.
Weiterlesen „Positionspapier Wild-Fütterungen“
Wolf

Positionspapier Große Beutegreifer

Fakten zu großen Beutegreifern: die aktuelle Lage in Österreich

Stand August 2023

Hier die aktuelle Version zu unserem Positionspapier zu Großen Beutegreifern

  • Die großen Beutegreifer Wolf, Bär und Luchs kehren nach Österreich zurück, auch der Goldschakal wandert zunehmend ein. Einerseits erfüllen diese Apex-Prädatoren wichtige Rollen in den Ökosystemen, andererseits müssen sich die Menschen, vor allem Land-, Wald- und Jagdwirtschaft auf ihre Anwesenheit einstellen. Interessenskonflikte in Kombination mit einem gerüttelten Maß an Unwissen und Irrationalität führen zu einer stärkeren Verfolgung dieser Tiere, als durch ihren gesetzlichen Schutzstatus vorgesehen – auch illegal, wie die vergleichsweise langsame Zunahme der Bestände, Modellrechnungen und eine beträchtliche heimische Wildtierkriminalität nahelegen.
  • Eine überbordende Verfolgung der großen Beutegreifer ist neuerdings auch (vordergründig) legal möglich, etwa auf Basis von Verordnungen der Bundesländer („Wolfsmanagementverordnungen“ von Tirol, Kärnten, NÖ., demnächst auch OÖ. und Stmk.). Obwohl bei keiner der Arten für Österreich der „günstige Erhaltungszustand“ erreicht ist, den herzustellen wir uns im Rahmen der Fauna-Flora-Habitatrichtline (FFH) verpflichtet haben. Erst dann wäre eine Bejagung legal möglich. Dennoch ist etwa der Goldschakal in den meisten Bundesländern jagdbar, in einigen, wie etwa Niederösterreich, sogar ohne Schonzeit. Und um den Abschuss von recht eigenwillig definierten „Problemwölfen“ zu erleichtern, erließen die Bundesländer Kärnten, Tirol, Niederösterreich, bald auch Oberösterreich – (Stand Mai 2023) mehrfach EU-rechtswidrige Verordnungen. Problematisch auch, dass sich die Jagd dafür einspannen lässt, was an längst überwunden geglaubte Zeiten der Ausrottungsgeschichte der großen Beutegreifer erinnert.
  • In Zeiten der existenzbedrohenden Klima- und Biodiversitätskrisen müssen Arten und Lebensräume wirksam geschützt, bzw. wiederhergestellt werden. Das braucht eine Extensivierung von Land- und Forstwirtschaft und eine Ausübung der Jagd strikt auf Basis ökologischer Prinzipien. Ausschließlich auf Gewaltanwendung beruhende, letztlich auf regionale Wiederausrottung abzielende „Lösungen“ zur Abwehr der großen Beutegreifer jenseits von ethischen Normen und biologisch-ökologischer Intelligenz und Rücksichtnahme, sind daher abzulehnen.
  • Die vier großen Beutegreifer unterscheiden sich stark hinsichtlich Ökologie, Konfliktpotential und auch in ihrer Bedeutung für die Jagd. Die Jagdgesetze der meisten Bundesländer führen zumindest Wolf, Bär und Luchs als ganzjährig geschont. Der föderale Fleckerlteppich macht die Lage unübersichtlich. Bei Braunbären wandern vor allem die Männchen, weswegen die wenigen Bären in Süden Österreich zumeist aus Slowenien eingewanderte Männchen sind. Der ökologisch erwünschte, eigenständige Bestandsaufbau ist mangels zuwandernder Weibchen seit Jahrzehnten ausgeblieben. Luchse verbreiten sich langsam, auch weil sie als Konkurrenten um Rehwild gesehen werden und relativ einfach zu bejagen sind. Ohne aktive Bestandsstützungen, die von der Jagd abgelehnt werden, kann ein Populationsaufbau im Alpenraum aber nicht gelingen und die kleine aktuell vorhandene „Population“ in den Nördlichen Kalkalpen wird verschwinden. Wölfe dagegen breiten sich ob ihrer hohen Vermehrungsraten rasch in die Fläche aus, verursachen dabei auch Schäden an ungeschützten Weidetieren und erregen Ängste. Von allen großen Beutegreifern finden daher die Wölfe den größten Niederschlag in den Medien und erregen öffentliche Aufmerksamkeit. Dabei wird meist darauf vergessen, dass sie – wie allen Apex-Prädatoren, wichtige Funktionen auch in den heimischen Ökosystemen erfüllen (siehe auch Positionspapier Wolf und zum Thema Jagd die Webseite http://www.bundesjagdgesetz.at).
Wolf

Positionspapier Wolf

Fakten zum Wolf: Die aktuelle Lage in Österreich

Stand Mai 2023

Hier die aktuelle Version zu unserem Positionspapier Wolf zum Download.

Kurzfassung:

  • In Österreich leben zur Zeit (Mai 2023) sieben Familiengruppen (Rudel: https://baer-wolf-luchs.at/verbreitungskarten/wolf-verbreitung), also etwa zwischen 30 und 60 Wölfe.
  • Umfragen belegen, dass eine Mehrheit der Österreicher wie auch Mehrheiten in anderen Ländern Europas die Wiederkehr der Wölfe begrüßen.
  • Wölfe sind in Europa umfassend durch die Berner Konvention und die auf dieser beruhende Fauna-Flora-Habitat (FFH) Richtlinie der EU geschützt (aktueller Wolfsmanagementplan Österreich s.: https://baer-wolf-luchs.at/wp-content/uploads/2022/05/OeZ_Wolfsmanagement_Empfehlungen_2021.pdf).
  • Die FFH-Richtlinie verpflichtet zur Herstellung eines „günstigen Erhaltungszustands“ in den Staatsgrenzen. Dieses Ziel wird in Österreich für alle großen Beutegreifer weit verfehlt.
  • Günstiger Erhaltungszustand“ in Österreich im Sinne der FFH-Richtlinie bedeutet wahrscheinlich einige Dutzend Rudel und ein wenige hundert Wölfe. „Problemwölfe“, deren „Entnahme“ die FFH-Richtlinie vorsieht, treten generell selten auf.
  • In ihren „Wolfsmanagementverordnungenverstoßen die Bundesländer Kärnten, Tirol, Niederösterreich und bald auch Oberösterreich und Steiermark (Stand Mai 2023) mehrfach gegen geltendes EU-Recht (Verstöße gegen die Aarhus-Konvention und gegen die FFH-Richtlinie). Die Eröffnung eines weiteren EU-Vertragsverletzungsverfahrens ist absehbar.
  • Auch nach Erreichen eines „günstigen Erhaltungszustandes (FFH)“ benötigen Wölfe keine „Regulierung“ durch Jagd. Sind Rudel etabliert, werden Wolfsdichten durch die Menge an verfügbarer Nahrung reguliert, vor allem aber durch eine effiziente „dichteabhängige Regulation“ aus. Etablierte Rudel halten Nachbarrudel auf Distanz und halten auch durchwandernde Jungwölfe ab.
  • Jagd und Jagdwirtschaft sind in ihrer Einstellung zum Wolf gespalten. Während manche Jäger mit dem Wolf leben wollen, argumentieren jene, die am Verkauf von Abschüssen überhegten Schalenwilds und an Revierpachten verdienen, dass der Wolf dieses Trophäenjagdsystem stören und ihre Reviere „entwerten“ würde.
  • Wölfe entfalten als Apex-Prädatoren mehrfach positive ökologische Wirkungen; in den Rudelgebieten steigt die Biodiversität, Wülfe halten Wildbestände gesünder als menschliche Jäger.
  • Wölfe verursachten in Österreich 2022 weniger als 10% der Verluste an Weidetieren (vor allem Schafe). An Herdenschutz führt kein Weg vorbei, da man sich auf die Anwesenheit von Wölfen langfristig einstellen muss. Abschuss ist keine Lösung, da die nächsten einwandernden Wölfe wiederum (ungeschützte) Schafe töten. Zudem sind Halter im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht (im Sinne des Tierschutzgesetzes) verpflichtet, ihre Weidetiere vor großen Beutegreifern zu schützen.
  • Sind Wölfe gefährlich? Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte Zusammenleben mit Wölfen in Europa zeigen, dass Wölfe für Menschen nicht gefährlich sind.
  • Angesichts der Bemühungen Klimawandel und Biodiversitätsverlust einzudämmen, sind die großen Beutegreifer Verbündete, nicht Gegner, im Ringen um eine lebenswerte Zukunft.
  • Für ein möglichst konfliktarmes Zusammenleben mit den großen Beutegreifern braucht es neben funktionierendem Herdenschutz vor allem flächendeckendes best-practice Monitoring und eine Begleitung durch wissenschaftliche Top-Forschung. Derzeit gibt es diesbezüglich große Defizite.
Weiterlesen „Positionspapier Wolf“
Naturschutz, Tierschutz, Uncategorized

Volksbegehren für ein Bundesjagdgesetz

Zahlreiche Organisationen und Einzelpersonen aus Naturschutz, Tierschutz, Artenschutz und ökologischer Jagd haben sich zusammengetan und unterstützen des Volksbegehren für ein Bundesjagdgesetz. Auch wir als AG Wildtiere im Forum Wissenschaft und Umwelt sind Träger dieses Volksbegehrens und halten es für eine wichtige Grundlage für eine ökologische und tierschutzgerechte Jagd.

Hier die Zusammenfassung des Textes zum Volksbegehren:

Für ein Bundesjagdgesetz

Die Jagd muss den gesamtgesellschaftlichen Interessen dienen und ökologisch-tierschutzgerecht erfolgen. Dem wird die in neun Landesgesetzen unterschiedlich geregelte Jagd nicht gerecht. Die Landesgesetze erlauben z. B.: tierquälerische Jagdmethoden, Bejagung seltener Arten, Abschuss von Elterntieren mit Jungen oder Tötung von Hunden und Katzen. Der Bundes(verfassungs)gesetzgeber möge daher ein Bundesjagdgesetz erlassen, das die Einhaltung der im Beiblatt dargelegten Grundsätze sicherstellt.

http://bundesjagdgesetz.at/

Die angesprochenen Punkte umfassen folgende Themen:

  1. Schonzeiten für alle jagdbaren Tierarten
  2. Grausame Fang- und Jagdmethoden dürfen nicht angewendet werden
  3. Gezüchtete Tiere dürfen nicht für die Jagd ausgesetzt werden
  4. Verbot der Tötung von Haustieren
  5. Jagdbare Tierarten nach ökologischen Kriterien definieren
  6. Gefährdete Tierarten sind zu schonen
  7. Keine Verwendung von Bleimunition
  8. Ökologische Grenzen respektieren

Ausführliche Informationen zum Volksbegehren findet ihr hier.

Das Volksbegehren kann online auf österreich.gv.at oder bei einem österreichischen Gemeindeamt mit Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises unterzeichnet werden.

Initiatoren des Volksbegehrens sind Tierschutz Austria, der ökologische Jagdverband, der Verein gegen Tierfabriken und wir, die AG Wildtiere im Forum Wissenschaft und Umwelt.

Wolf

Wolfsabschussverordnungen von Oberösterreich und anderer Bundesländer gravierend mangelhaft

– das wird vom Umweltministerium in Antwort auf Stellungnahme der AG Wildtiere fest gehalten

Als Antwort auf die Stellungnahme der AG Wildtiere am Forum für Wissenschaft & Umwelt zum Begutachtungsentwurf der Verordnung der Oö Landesregierung betreffend die vorübergehende Ausnahme von der Schonzeit für den Wolf vom Juli diesen Jahres liegt der AG nun ein ministerielles Schreiben vor , aus dem zweifelsfrei hervorgeht, dass die Oö. Wolfsabschussverordnung rechtlich gravierend mangelhaft ist. Das Schreiben finden Sie hier.

Insbesondere verstößt nach Auffassung des Ministeriums die oberösterreichische Verordnung – und analog dazu, die Wolfsabschussverordnungen der Bundesländer Kärnten, Tirol, Niederösterreich, Salzburg und Steiermark – gegen zwei europäische Rechtsmaterien, die für Österreich bindend sind: 1. Die Aarhus-Konvention, welche den Rechtszugang der Zivilgesellschaft sicherstellen soll und 2. Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH), weil die entsprechenden Landesregierungen die zwingend erforderliche Einzelfallprüfung missachten, weil nicht erläutert wird, inwieweit Abschuss ein taugliches Mittel ist, das angestrebte Ziel des Schutzes von Weidetieren zu erreichen, weil Herdenschutz als gelinderes Mittel nicht in Betracht gezogen wird, weil quasi „auf Verdacht“ geschossen werden darf und weil unklar bleibt, wie sich die Abschüsse auf das geforderte Ziel und FFH-Verpflichtung auswirken, einen „günstigen Erhaltungszustand“ zu erreichen.

Bezüglich des letzten Punktes ist anzumerken, dass die Notwendigkeit eines aktiven Monitoring unbestritten ist – allein, um geplante Eingriffe in eine Population dahingehend zu überprüfen, ob sie das Erreichen eines „günstigen Erhaltungszustandes“ (FFH) negativ beeinflussen. Daher ist die Etablierung eines aktiven Monitorings in Österreich notwendig und umgehend umzusetzen. Im Moment obliegt das Monitoring de facto der Jägerschaft, was natürlich aufgrund bestehender Interessenskonflikte problematisch ist.

Um allerdings die aktuellen Eingriffe in die Wolfpopulation in Österreich in Form der bereits vollzogenen Abschüsse hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Erreichen eines günstigen Erhaltungszustandes einzuschätzen, genügt die aktuelle Datenlage allemal: Bei sieben Rudeln und einigen umherstreifenden Einzeltieren (https://baer-wolf-luchs.at/verbreitungskarten/wolf-verbreitung) liegt es auf der Hand, dass die Abschüsse das Erreichen eines günstigen Erhaltungszustandes massiv behindern. Es ist ein den Ländern anzulastender Skandal, dass auf Basis einer solch unzuverlässigen Datenlage fortlaufend FFH-rechtswidrige Wolfsabschüsse erlaubt werden.

Ähnliche Einwände brachte die AG Wildtiere und andere Arten- und Tierschutzverbände gegen den oberösterreichischen Verordnungsentwurf, sowie gegen jene der anderen Bundesländer vor, was aber nichts daran änderte, dass diese relativ unverändert verabschiedet wurden. Damit verstoßen diese Bundesländer – offenbar sehenden Auges – gegen bindendes europäisches Recht. Jedenfalls bestätigt die vorliegende rechtliche Beurteilung durch das Ministerium unsere Einwände in allen wesentlichen Punkten.

Bewusster Rechtsbruch durch Landesregierungen und Landtage ist eines Rechtsstaates unwürdig und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Vertragsverletzungsverfahren von Seiten der EC führen.

Reaktionen in den Medien:

Salzburger Nachrichten

Die Presse

MeinBezirk

Essay

Rettet die Schönheit!

Autor: Werner Gamerith

Für eine Rehabilitation der Ästhetik

Unsere angeborene Sehnsucht nach Schönheit ist keine rückschrittliche Sentimentalität, sondern wichtige Hilfe zur zukunftsfähigen Gestaltung unserer Welt, die wir ernst nehmen und dem profitorientierten Materialismus entgegenstellen müssen.

Immer mehr Landschaft wird verbaut. Österreich ist dabei sogar Rekordhalter. Und die verbleibende Landschaft wird allzu leicht missbraucht. Technokratische Formen der Bewirtschaftung sind auf Ertragsmaximierung ausgerichtet und nehmen auf Ästhetik und natürliche Vielfalt zu wenig Rücksicht, Schönheit und ökologischer Reichtum schwinden. Dabei sind Landschaften empfindliche Lebewesen, die allerdings nicht vermehrbar sind.

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