Fakten zum Fischotter: Die aktuelle Lage in Österreich
Autor: Erhard Kraus
(Stand: Dez. 2018)
Kurzfassung:
- Fischotter wurden in Österreich durch den Menschen beinahe ausgerottet.
- Ihre Rückkehr ist auf natürliche Weise erfolgt. Es wurden keine Fischotter ausgesetzt.
- Fischotter erbeuten nicht nur Fische, sondern auch Kleinsäuger, Wasservögel, Krebse und Amphibien.
- Dass Fischotter die Vorkommen seltener Muscheln, Krebse und Amphibien gefährden, ist falsch.
- Ein negativer Einfluss des Otters auf Fischbestände in Fließgewässern ist nicht zweifelsfrei nachzuweisen.
- Es besteht kein Zweifel, dass Fischotter in bewirtschafteten Teichen große Probleme machen können.
- Eine faire Abgeltung des Wertes getöteter Nutzfische und eine Förderung der Teichwirtschaft, welche Abwehr-Maßnahmen und andere Naturschutzleistungen belohnt, ist ein sinnvolles Ziel.
- An Fließgewässern ist eine schonende Bewirtschaftung wünschenswert – ohne die Gewässer mit Zuchtfischen zu besetzen, bei gleichzeitiger Förderung der Wildfische.
- Unser aktueller Wissensstand reicht nicht aus, um behördliche Entscheidungen zur Tötung von Fischottern zu rechtfertigen.
- Eine Intensivierung der Grundlagenforschung beim Fischotter würde mehr gesellschaftliche Akzeptanz für behördliche Entscheidungen bringen.
- Die in den Bundesländern NÖ, OÖ und Kärnten erlaubten Ottertötungen sind nicht EU-rechtskonform.
Etwas ausführlicher:
- Ausgangslage: Die Rückkehr des Fischotters ist eine Erfolgsgeschichte des Natur- und Artenschutzes, auch wenn nicht leicht zu beantworten ist, welche Gründe dafür maßgeblich sind. Die zunehmenden Otterbestände bewirken – nicht nur in Österreich – im hohen Maße Akzeptanzprobleme bei Angelfischerei und Teichwirtschaft. Das ist an sich nicht überraschend, ernährt sich der Fischotter doch vorwiegend von Fischen und tritt damit mit menschlichen Nutzungsinteressen in Konflikt. Allerdings verwundert die Heftigkeit der Auseinandersetzung von Fischerei und Teichwirtschaft mit dem Naturschutz, da alle diese Gruppen an intakten Ökosystemen interessiert und in ihrem wirtschaftlichen Erfolg sogar weitgehend davon abhängig sind.
w - Der historische Rückgang der Fischotterpopulation Ende des 19. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts war eine unmittelbare Folge massiver menschlicher Verfolgung („Ottersturm“). Die verbliebenen geringen Restvorkommen kamen nach dem 2. Weltkrieg in Teilen Mitteleuropas noch zusätzlich durch persistente Umweltgifte (v.a. PCB´s) und Lebensraumverluste (Gewässerregulierung, Trockenlegung von Feuchtbiotopen etc.) stark unter Druck. In den Sechziger- und frühen Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts war Österreich praktisch otterfrei.
w - Die Rückkehr des Fischotters ist auf natürliche Weise erfolgt, ohne bestandsunterstützende Maßnahmen durch den Menschen. Fischotter wurden zu keiner Zeit in Österreich von Naturschutzverbänden ausgesetzt. Die aktuelle Zunahme des Otterbestandes ist vermutlich das Ergebnis von mehreren Jahrzehnten verbesserter Reproduktionsbedingungen, reineren Gewässern (weniger Umweltgifte) und von strengen Schutzbestimmungen. Dazu kam ein flächendeckendes und gut erreichbares Nahrungsangebot durch die in den letzten Jahrzehnten in vielen Landesteilen neu angelegten Fischteiche und in vielen Fließgewässern zusätzlich durch ein hohes Besatzfischangebot. Selbst große, für Otter schwer zu bejagende Wasserkörper wie die Donau bieten in ufernahen Bereichen mit den diversen Neozoen (z.B. Signalkrebs, Grundel-Arten) offensichtlich günstige Nahrungsquellen.
w - Natürliche Dichte-Regulation: Fischotter verfügen wie alle anderen Tierarten mit ausgeprägtem Revierverhalten über eine effiziente arteigene Begrenzung der Bestandsdichte. Männchen und Weibchen besetzen große Reviere entlang von Fließgewässern oder Teichen, die sie gegenüber andere Artgenossen strikt verteidigen. Nichtrevierbesitzende Tiere (häufig Jungtiere) müssen mit suboptimalen Lebensräumen vorlieb nehmen oder in noch unbesiedelte Randgebiete ausweichen. Dadurch unterliegen sie einer hohen natürlichen Sterblichkeit. Gleichzeitig ermöglicht dieses Verhalten, dass bislang nicht besiedelte benachbarte Gebiete von abwandernden Tieren kolonisiert werden.
w - Die Teichwirtschaft und – weniger leicht nachweisbar – die Angelfischerei sind durch das Wiedererstarken der Fischotterbestände (und anderer Fischprädatoren) stark betroffen, was zu Interessenskonflikten beim strengen Schutz dieser Art geführt hat. Leider ist die Diskussion darüber oftmals stark emotional aufgeladen und wenig faktenbasiert, besonders was die Rolle des Fischotters im Ökosystem Fließgewässer betrifft.
w - Nahrung: Neben Fischen erbeuten Otter als opportunistische Jäger auch Säugetiere wie Wühlmäuse, Bisamratten, Wassergeflügel und deren Gelege, Flusskrebse sowie Amphibien und verschiedene Wasserinsekten. Entsprechend einer energetischen Kosten-Nutzung-Rechnung werden jene Nahrungskomponenten bevorzugt, die am häufigsten vorhanden und daher am leichtesten zu erbeuten sind.
w - Einfluss auf andere Arten: Häufig wird von Fischereivertretern über eine Gefährdung von Rote Liste Arten wie Flussperlmuschel, Flussmuschel, Edelkrebs, Steinkrebs, Amphibien, usw. durch den Einfluss des Fischotters berichtet. Derartige Behauptungen entbehren jeglicher fachlicher Grundlage. Bis heute gibt es keinerlei wissenschaftliche Belege für solche Phänomene.
w - Auswirkung auf die Teichwirtschaft: Der negative Einfluss des Fischotters auf Fischbestände in Teichgebieten (insbesondere Hälteranlagen) ist evident und durch die jahrzehntelange Schadensabgeltung in Niederösterreich auch gut dokumentiert. Strittig ist hingegen, inwieweit Abhaltemassnahmen (Zäunung, Ablenkteiche etc.) wirksam und zumutbar sind. Oder inwieweit alternative teichwirtschaftliche Nutzungstechniken (z.B. weitergehende Extensivierung, Nebenfischbestand) schadensmindernd wirken könnten. Klar ist andererseits auch, dass für die Teichwirtschaft aufgrund der langjährigen Erfahrungen im Umgang mit dem Otter eine finanzielle Schadensabgeltung für nachgewiesene Ertragsverluste und eine gut ausbalancierte Teichwirtschaftsförderung, welche die überwirtschaftlichen Leistungen belohnt, ganz wesentlich sind, um die Akzeptanz für den Otterschutz aufrecht zu erhalten.
w - Auswirkung auf die Angelfischerei: Bei den Fischpopulationen in Fließgewässern ist ein negativer Einfluss des Fischotters schwieriger festzumachen und die Diskussion darüber oftmals sehr kontrovers. Fische in Fließgewässern kann man weniger leicht zählen als in Teichen; sie sind zudem saisonalen und witterungsbedingten Bestandsschwankungen unterworfen und werden außerdem in hohem Maße durch Bewirtschaftungsmaßnahmen (v.a. Fischbesatz), Klima- und Umwelteinflüsse sowie Krankheiten beeinflusst. Beispielsweise erhöht der seit Jahrzehnten übliche und fischereirechtlich vorgeschriebene Fischbesatz (mit oftmals nur eingeschränkt lebenstüchtigen, adulten Besatzfischen aus Zuchtanstalten) die Tragfähigkeit des Lebensraumes für den Otter zumindest saisonal enorm. Ob das allerdings auch zu einer Erhöhung der Fischotterbestände führt bzw. geführt hat, ist wissenschaftlich nicht geklärt. Andere, mutmaßlich deutlich gewichtigere Einflüsse auf Fischbestände wie die vielfältig wirksame Lebensraumverschlechterung (Regulierung, Kraftwerke, Landwirtschaft, Klima) ist schwer beeinflussbar und wurde in Österreich bislang kaum in größeren Systemzusammenhängen wissenschaftlich analysiert.
w - Verbesserung der Datenbasis und Intensivierung der Grundlagenforschung: Die Arealentwicklung und Verbreitung des Fischotters in Österreich ist durch zahlreiche und regelmäßig wiederholte Kartierungsprojekte vor allem durch den Wildbiologen Andreas Kranz gut dokumentiert. Durch neue (genetische) Methoden ist zu erwarten, dass es in naher Zukunft besser gelingt, die absolute Bestandsgröße der schwer beobachtbaren, nachtaktiven Art aufzuklären. Andererseits mangelt es nach wie vor an einer bundesländerübergreifenden Abstimmung, was eine zwischen den Ländern koordinierte Vorgangsweise bei Forschungsprojekten und Managementmaßnahmen (z.B. Entnahmequoten) betrifft.
w - Warum also Fischotterschutz? Fischotter sind ein natürlicher Bestandteil der Gewässerlandschaften unseres Landes und sie haben deshalb – unabhängig von sonstigen Erwägungen – aufgrund unserer ethischen, aber auch naturschutzrechtlichen Verpflichtungen ein unbedingtes Existenzrecht. Wie andere Prädatoren auch haben sie positive Auswirkungen auf die Gesunderhaltung und Fitness der von Ihnen genutzten Beutetiere, die mit Ihnen in Koevolution entstanden sind.
Zusammenfassung:
Die aktuelle Lage beim Fischotterschutz in Österreich ist unzufriedenstellend vor allem was die nicht ausreichend abgestimmte Handhabung durch die für den Naturschutz zuständigen Bundesländer betrifft. Das ist kein neuer Befund sondern prägt und behindert die Arbeit im Natur- und Artenschutz seit langer Zeit. Durch den Druck von Teichwirtschaft und Fischerei-Organisationen auf Politik und Verwaltung wurde in mehreren Bundesländern ein Ottermanagement mit Fang- und Abschussquoten für Fischotter festgelegt, das durchwegs nicht mit den strengen Schutzbestimmungen des EU-Rechts (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) im Einklang steht. Unserem Urteil nach reicht der aktuelle Wissensstand nicht aus, um behördliche Entscheidungen zur Tötung von Fischottern zu rechtfertigen.
Literatur:
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